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Demaskierung des Horrors

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Vor einer Woche wurde an dieser Stelle versucht, die Ursachen der derzeitigen Filmwelle der Gewalt und des Ekels aufzudecken; diese Woche läuft nun ein Film in Wien — mit sechsjähriger Verspätung —, der in reinster und klarster Form die Antwort auf die Frage bietet: Peter Bogdanovichs 1968 entstandenes Spielfilm-Regiedebüt „Bewegliche Ziele” (Targets), ein Werk, das einmal zu den bedeutendsten Filmen der Geschichte gezählt werden wird, heute bereits ein echter Klassiker ist — und ein Film, den niemand versäumen sollte (auch wenn er für das Genre nichts empfindet).

Der Film beginnt mit einer Sequenz aus einem Horrorfilm mit dem berühmtesten Gruseldarsteller aller Zeiten, Byron Orlok — im Film von Boris Karloff personifiziert, sozusagen sich selbst darstellend —, der sich nach einem Leben als „Begriff des Grauens” vom Film zurückziehen möchte; mit dieser Gestalt aus der Welt des Phantastischen wird nun eine andere aus der realen Welt verknüpft, ein junger Mann, der — ohne ersichtlichen Grund anscheinend (doch psychologisch absolut folgerichtig) — auf einmal seine Umwelt auszurotten beginnt, die Verkörperung eines sehr wirklichen Horrors. Der große Orlok, der erkannt hat, daß „seine Art von Schrecken heute nicht mehr schrecklich ist”, tritt zum Schluß in einem Autokino — in einer genialen Doppelvision von Realität und Kino- bild — dem echten Ungeheuer gegenüber, entwaffnet den fassungslosen Mörder mit einem furchtlosaristokratisch eleganten Stockhieb; vor dem nunmehr hilflosen zusammengebrochenen Bündel Elend erkennt Orlok nun die Wahrheit: „Ist es das? Hab’ ich davor Angst gehabt?” Alle Gewalttätigkeit, alle Großsprecherei und lautstarke Demonstration der Macht ist hohl und leer — wenn man ihr entgegentritt, bricht sie zusammen und entlarvt sich als armselige verächtliche Feigheit… In dieser ebenso weisen wie einfachen Erkenntnis liegt die große Aussage des genialen Films, über den sich Bücher schreiben ließen: historisch (die Entwicklung Karloffs und des Horrorfilms), filmdramaturgisch (wie zwei verschiedene Handlungen ellipsenförmig nahtlos und vollkommen logisch miteinander verbunden sind), filmgestalterisch und nicht zuletzt darstellerisch (Boris Karloff erreicht hier eine Gestaltungskunst wie nie zuvor!). Ein Film, den man mehrmals sehen muß, um ihn voll und ganz in seiner Perfektion (und Liebe zum Kino) zu verstehen und zu würdigen…

Und endlich gibt es auch einen Film im Kino, über den man herzlich lachen kann und sich deswegen nicht zu schämen braucht: die hinreißend elegante, geistreiche, witzige und nicht einen Augenblick die Grenzen guten Geschmacks überschreitende Geheimagenten-Persi- flage „Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh”, eine Wiederbelebung köstlichster Stummfilm-Slap- stiok-Grotesken. Woher? Natürlich aus Frankreich…

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