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Die ungesättigte Opposition

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Dem System des Parteienstaates entspricht auf Staatsebene keine Allparteienregierung. Ihr Bestand ist auf lange Frist den Wählern unerträglich und reduziert die Demokratie auf eine Leerformel. Anders liegen die Dinge auf lokaler Ebene (in Österreich sogar im Bereich der Bundesländer), geht es doch in den kleinen, übersichtlich zu verwaltenden Regionen nicht so sehr um die Durchsetzung von Grundsätzen, die mit anderen oft keinen Kompromiß vertragen, als um die „kleinen Dinge“, bei deren Gestaltung keine ins Gewicht fallende politische Gruppe ausgeschlossen werden soll. Wer Demokratie sagt, hat daher neben dem Phänomen des Ein-Parteien-Staates (im allgemeinen) auch das System einer Allparteienregierung auszuschließen und eine politische Opposition sowie die Freiheit ihres Wirkens gleichsam mitzudenken, obwohl es zuweilen sogar in Diktaturen eine legitime Opposition gibt. (In der Sowjetunion bestand jedenfalls innerhalb der Einheitspartei bis 1934 eine organisierte Oppositionsgruppe.)

Ihrem Wesen nach ist die Opposition der organisatorisch integrierte Widerspruch einer nicht regierenden Gruppe gegen die Regierung und die sie repräsentierenden Gebilde. Opposition gibt es zwar in jeder politischen Ordnung, in der Demokratie gehört sie legitim zur politischen Konstitution; sie ist ein außerhalb der Amtsgewalt befindliches Korrektiv gegenüber einer Herrschaft, eine Sicherung dafür, daß die Herrschaft mit Maß, also demokratisch, ausgeübt wird.

Ihren Standort kann die Opposition innerhalb der regierenden Partei haben (innere Opposition) oder außerhalb der politischen Gruppen, gegen die sie opponiert (äußere Opposition). Selbst bei einem Allparteienregime ist eine äußere Opposition möglich, da es Parteien geben kann, die an Wählerstimmen oder Mandaten so schwach sind, daß sie im Stärkeproporz für die Auswahl der Regierungsmitglieder keine Position haben. Schließlich besteht auch bei einer Mehrparteienregierung eine Opposition aus der Mitte ihrer Mitglieder heraus; auf diese Weise kommt es oft dazu, daß von einzelnen Regierungsmitgliedern geplante Maßnahmen von der Regierung nicht vollzogen werden können.

Die Konstitution einer Opposition, die bedingt „Gewalt gegen Gewalt“ setzt (M. Duverger) und zur Gewaltentrennung in unserer Gesellschaft geführt hat, hängt mit dem ursprünglichen Anliegen zusammen, die Ansammlung von Gewalt an einer Stelle zu verhindern und einer Macht eine wenn notwendig wirksame Gegenmacht entgegenzustellen.

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