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Verschiedene Formen der Opposition

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Interessant ist die Tatsache, daß nicht nur in den Parteien gegen deren oberste Führung gerichtete Gruppen eine zeitweilige Wirksamkeit entfalten, sondern daß selbst zwischen einzelnen Flügeln der Regierungsparteien Kontakte sichtbar sind, die auf eine, wenn auch informelle Integration ad hoc schließen lassen, etwa in der Sache der kleinen Koalition oder in sozialökonomischen Fragen (landwirtschaftliche Marktordnung). Jedenfalls hat sich im Rahmen der massenweisen Suche nach Standorten für oppositionelle Deklamationen und Handlungen die Fraktionsbildung innerhalb der Parteien verstärkt und dadurch manche Oppositionsneigung diszipliniert.

• Nicht unbedenklich ist die virulente Opposition, die durch Zeitungsartikel ausgelöst und von den Informationsfabriken geradezu institutionalisiert wird; auf diese Weise entstehen zuweilen „Zeitungsparteien', ' f

• Daneben haben sich einige Interessentengruppen als Quasiparteien konstituiert, wenn sie praktisch auch nur Instrument von offiziellen Parteien sind. Der Allgemeine Bauernverband sei als Beispiel erwähnt: Ausgehend von der Annahme, Politik ohne Parteien machen zu können — was wider die Natur des politischen Prozesses ist —, sind schließlich die Bauernverbändler

jetzt politisch genauso festgelegt, wenn auch nach verschiedenen Richtungen, wie ein vorweg parteipolitischer Bauernverband, so daß es derzeit nicht weniger als drei Richtungen in dem ohnedies nicht allzustarken Verband gibt. Jede Gruppe, die nachdrücklich Politik macht, wird eben zur Partei oder von einer solchen mit Kommissionsgeschäften betraut.

• Auch die Opposition der „Reinen“ ist nicht unerwähnt zu lassen, der Orthodoxen, die versuchen, ohne Bedachtnahme auf die Realitäten Ideen „rein“ in die gesellschaftliche Wirklichkeit zu übersetzen.

• Jede sich politisch gebende Gruppe, die es vermag, anders als die anderen zu reden und sich vermöge ausreichender Mittel weitgehend transparent zu machen, hat heute Aussicht auf Erfolg. Gesinnung, Symbole, die Qualität der führenden Persönlichkeit, dies alles ist von geringer Bedeutung. Man muß nur eine politische Marke kreieren, einen neuen Namen neben die Liste der schon zur Genüge bekannten Parteien setzen und grundsätzlich gegen alles und gegen jeden Andersgesinnten sein, bei gleichzeitig unverbindlich formulierten „Grund“-sätzen, und kann heute mit etwas Erfolg rechnen. Aus zufälligen Achtungserfolgen solcher politischer Gruppen, in deren Reihen sich kunterbunt alles sammelt, was bisher in den bestehenden Parteien nicht ankommen konnte, werden weitreichende Schlüsse gezogen. Wie seinerzeit in Frankreich bei den Poujadisten, wie in Italien bei der inzwischen liquidierten Privatpartei eines Schriftstellers. Daß solche Gruppen als „Was-ihr-wollt-Parteien“ nur gewählt werden, einfach weil sie „anders“ und nicht weil sie etwas sind, erkennen ihre Führer nicht; sie nehmen ihre oft nicht unbeachtlichen Augenblickserfolge für bare Münze. • Bisweilen richtet sich die Opposition von Dissidenten auch nicht gegen ihre eigene Partei selbst, sondern gegen die „zweite Führung“ ihrer Partei, gegen das, was man im US-amerikanischen Parteiwesen die „Maschine“ nennt, deren Bosses neben den Leadern die Partei lediglich von Interessentenstandpunkten führen.

Angesichts einer virulent gewordenen Opposition erkennen wir in Österreich, daß politische Bildung in der Grunderziehung und in allen Bereichen der Erwachsenenbildung mehr denn je notwendig geworden ist. Dabei geht es nicht um das Heruntersagen von Verfassungsbestimmungen, sondern um die Erkenntnis des Wesens des Politischen, das auch seine Natur und daher seine Gesetze hat, die man nicht übersehen darf. Neben dem Bemühen, die Menschen zu Staatsbürgern zu erziehen und ihnen Wissen zum Zweck richtigen Mitwählens und Mitführens zu vermitteln, gehört noch die Erziehung zur fairen Opposition. Daher sollte politische Erziehung auch als Erziehung zu einer staatsbejahenden und nationalen (im besten Sinn des Wortes) Opposition verstanden werden.

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