6968956-1985_23_10.jpg
Digital In Arbeit

Flohmarkt auf Papier

19451960198020002020

Privat-Anzeigen-Magazine florieren auf der ganzen Welt. In Österreich dauerte es allerdings etwas länger, bis der Wiener „Basar” den Durchbruch schaffte. Umso erfolgreicher.

19451960198020002020

Privat-Anzeigen-Magazine florieren auf der ganzen Welt. In Österreich dauerte es allerdings etwas länger, bis der Wiener „Basar” den Durchbruch schaffte. Umso erfolgreicher.

Werbung
Werbung
Werbung

Flohmarkt auf Papier. So geringschätzig werden in unseren Breiten Zeitungen noch bewertet, deren einziger Zweck es ist, Anzeigen zu transportieren.

Wer eine Wohnung oder ein Auto kaufen oder verkaufen will, der schaut im Regelfall in eine Tageszeitung oder gleich zum Händler bzw. Realitätenbüro. An eine Anzeigenzeitung wenden sich noch wenige.

Während im westlichen Ausland Anzeigenblätter bereits zum

Alltag gehören, haftet an ihnen in Österreich noch immer der Mief des Gebrauchten.

In diese Szenerie platzte das Wiener Privat-Anzeigen-Maga-zin „Basar”. Mit der nötigen Eloquenz, der die Konkurrenz nicht gewachsen war, machte der „Basar” eine „dramatische Entwicklung” durch — so jedenfalls die Macher.

Die Zahlen dazu: Im November 1983 startete die Zeitung mit tausend Kleinanzeigen und einer Auflage von fünf zehntausend Exemplaren. Derzeit setzt der „Basar” pro Woche bereits bis zu achttausend Kleinanzeigen bei einer Auflage von fünfunddreißig-tausend Exemplaren um.

Nach ausländischen Erfahrungen ist die jetzt erreichte Basis aber erst Ausgangspunkt für eine noch raschere Entwicklung. Kann ein Anzeigenblatt eine kritische Menge an Inseraten aufweisen, dann ist es für Käufer bereits so interessant, daß die Nachfrage sprunghaft ansteigt. Im Fachjargon: Der Turboeffekt setzt ein.

Dann können Kunden, die ihre privaten Wortanzeigen gratis per Kupon, Telefon, Telex oder Bildschirmtext aufgeben, noch rascher ihren zu klein gewordenen Computer losschlagen oder das Kindermädchen für den Nachwuchs finden. Wer eher heute als morgen seine alte Einrichtung loswerden möchte, kann sie in der Rubrik „Umsonst” nahezu mit Erfolgsgarantie auf den Markt werfen.

Finanziert wird der Second-Hand-Umschlagplatz von den Lesern, die bei kontinuierlichem Konsum wöchentlich 18 Schilling in die Trafik tragen müssen. Was nach Auskunft der Blattmacher viele auch aus Lesevergnügen machen. Neben verkannten Altwarensammlern, die die Zeitung als Ersatz für versäumte kindliche Dachbodenromantik konsumieren, kommen auch Freizeit-voyeure auf ihre Rechnung, die die völlig überdrehte Kommunikation einer Clique alternativer Selbstverwirklicher wöchentlich mitverfolgen wollen: Von „Bärli und Mäuslein” bis zum „^”-Comic-Kater „Garfield” sind alle mit Nachrichten vertreten.

Dienen diese Relikte aus den Anfangszeiten der Zeitung zur Auflockerung, so stellen' Versuche, den Anzeigenmarkt zu internationalisieren, eine nächste Entwicklungsstufe dar. Schon jetzt ist es möglich, seinen alten Kachelofen auf Wunsch irgendwo auf der Welt in einem anderen Privat-Anzeigen-Magazin anzubieten. Ein zu schaffendes Clea-ring-House soll den Austausch erleichtern und gleichzeitig sicherstellen, daß nicht jedermann seine Waschmaschine in Brasilien anbieten kann, dafür aber sein privates Urlaubsdomizil in Kanada findet.

Die Gründung des dazu notwendigen internationalen Verbandes der Gratisanzeiger wurde erst kürzlich in Klosterneuburg in Angriff genommen. 17 Zeitungen - darunter alle großen der Welt -sind Gründungsmitglieder, „Ba-sar”-Chef Charles Wardell Vorsitzender.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung