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Italien — wie es ist
Die Woge der Buch Veröffentlichungen über Italien blieb während der letzten zehn Jahre mehrheitlich einiges schuldig: Unterhaltungswert und Verständlichkeit. Zumeist von beamteten Denkern wurde — seit dem 1973 inspirierten „historischen Kompromiß” — in benediktini- scher Strenge von revolutionärer Morgenluft beim südlichen Nachbarn gekündet.
Victor Willi, seit 25 Jahren in Italien lebender Schweizer Journalist, belebt mit seinem Beitrag zum „Überleben in Italien” den Markt. Angenehm lesbar rückt er altbekannte Oberflächenphänomene der italienischen Gesellschaft in eine historische Perspektive.
Das Ergebnis der Bemühungen des sichtlich wohlmeinenden, angesichts des Vorgefundenen oft resigniert köpf schüttelnden, sich in Sarkasmen rettenden Chronisten ist eine Fülle von Informationen und Entmystifizierungen, denen manch ein von Italienern wie Ausländern gehätscheltes Klischee nicht standhält.
Mythen vom aktuellen „Antifaschismus” der Italiener wie deren historischem Resistenza-Herois- mus, Legenden von der Kulanz des Faschismus, der Geheimtip vom Mussolini als dem ersehnten „kleinen Hitler”, Prophezeiungen des baldigen Zusammenbruchs des Landes etc.: belesen, einsichtig und pointiert hebt Willi dergleichen aus den Angeln.
Platitüden, wie die Rede vom „Chaosismus” als „die individuelle und kollektive Fähigkeit, das meiste und vielleicht das Beste aus der Unordnung zu machen und zu sich selbst, zur Wesensverwirklichung als Italiener, zu kommen”, sind dabei schlechten- falls ärgerliche Randerscheinungen.
Ausführlich — rechtzeitig zu den Stimmengewinnen des neofaschistischen MSI und den Pilgerfahrten zum Geburtsort des „Duce” — wird auf Kultur und Politik des Faschismus, auf die Persönlichkeit des „Halbgottes Mussolini, Italiens schlechterem Ich”, eingegangen; und diesem — warum nicht? — „Landesvater Franziskus, Italiens besseres Ich”, gegenübergestellt: Es böte „das Beispiel des Heiligen mit seinem Gelübde der Armut, Bescheidenheit des Gehorsams … einen überzeugenden Ausweg aus der allgemeinen Krise”.
Und dies, so der Autor, sei eine emotive Wurzel des italienischen Kommunismus. (Den er allerdings interpretiert, als hätten die letzten Jahre der KPI-Geschichte nie stattgefunden.)
Pünktlich zum 100. Geburtstag des „Duce”, dem 100. Todestag des Italien-Mitbegründers Garibaldi und zehn Jahre nach der Proklamation der Koalitionsbereitschaft der italienischen Kommunisten liegt mit Willis Buch ein Beitrag gegen unangemessene Italien-Begeisterung von Touristen und Linksintellektuellen vor.
ÜBERLEBEN AUF ITALIENISCH. Von Victor J. Willi. Europa-Verlag, Wien 1983.416 Seiten, Ln., öS 268,—.
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