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Journalismus: Kann er, was er soll ?

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Für wen arbeitet eigentlich die Kommunikationswissenschaft? Warum tritt die Wirkungsforschung auf der Stelle und produziert -in den Augen der Praxis -Belanglosigkeiten?

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Für wen arbeitet eigentlich die Kommunikationswissenschaft? Warum tritt die Wirkungsforschung auf der Stelle und produziert -in den Augen der Praxis -Belanglosigkeiten?

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, Am eigenen Schopf könne sich die gegenwärtige Kommunikationsforschung wohl kaum „aus dem Sumpf ihrer augenblicklichen Erfolglosigkeit" ziehen, ist Alois Huters feste Uberzeugung. In seinem Buch „Mensch und Massenmedien" liest er der Kommunikationswissenschaft die Leviten, ihre beklagenswerte „Theo-rielosigkeit" lasse sich nur dann überwinden, wenn sie ihren durchgängig behavioristischen Methoden abschwört und eine Theorie vom Menschen aufnimmt. Der Positivismus ist nach Huters Auffassung die Hauptursache dafür, „daß unsere gegenwärtige Wissenschaft von den Massenmedien permanent Gefahr läuft, die Menschen aus dem Auge zu verlieren".

Der Autor ist Leiter der Abteilung Massenmedien an der Universität Salzburg und hat die Vorstellung, alle jene Wissenschaften, die in Fragen der Medienforschung beharrlich aneinander vorbeiredeten, zu einem gemeinsamen Gespräch zu bringen: über den Menschen, der Massenmedien hervorbringt, der Massenmedien hat und nutzt und der sicherlich auch unter ihrem Einfluß und ihrer Wirkung steht.

Dies ist ein lobenswertes Ziel, aber wie läßt es sich verwirklichen? Mit ihren drei Grundbegriffen der Kommunikation, Sozialisation und Wirkung sieht Huter die Medienforschung „in der Aporie". Kommunikation, sofern man sie menschlich und nicht ma-schinell.-informationstheoretisch versteht, habe etwas mit Verständigung, Dialog und Sinnvermittlung zu tun. Die Übertragung kybernetischer Vorstellungen von Regelkreissystemen auf menschliche Kommunikationsformen lasse dem Humanum keinen Raum; als ein von Maschinen-Kommunikation abgeleitetes Modell sei es mechanistisch und deterministisch. „Im Dialog wird der Mensch erst Person."

Huter stellt selbst die entscheidende Frage, inwieweit die Massenkommunikation als ein der menschlichen Dialogsituation strukturadäquater Vorgang anzusehen sei, aber er ist, wie wir alle, leider nicht imstande, hierzu mehr als Vermutungen anzustellen, ob durch die Technizität ihrer Strukturen die Medien sich am Ende gegen das richten, was sie hervorbringen wollen: Verstehen und Verständigung.

Ähnlich kritisch verfährt Huter mit dem „Mythos" von der Sozia-lisationsfunktion der Massenmedien. Eher sieht er die Reaktionen der Ohnmacht und Hilflosigkeit gegenüber dem Andrang der UberInformation zunehmen. „Geglückte Kommunikation ist Sinngebung, Deutung und Interpretation des anderen."

Huter legt seine Hand auf viele Schwachstellen der Wissenschaft vom Journalismus und sieht eine Chance der Uberwindung ihrer Defizite im Nutzungsansatz, der auf humanwissenschaftliche und philosophische Fragen zurückzuverweisen sei, im Rückbezug auf das Subjekt. Er wendet sich gegen „Empirismus", nicht aber gegen Empirie und naturwissenschaftliche Methoden, wo sie angebracht scheinen.

Der Mensch als massenmediales Kulturwesen, die Massenkommunikation als Teil unserer politischen Kultur und freiheitlichen Wertewelt — diese Fragen rücken das Umfassende der journalistischen Phänomene in den Blick und sind noch kaum angefaßt worden. Eine „wertfreie" Kommunikationswissenschaft wird das nicht leisten können, sondern sie muß sich offenhalten für die Wert- und Sinnproblematik, für die Hintergründigkeit des Sprachphänomens und die daraus hervorgehende Wahrheitsfrage, die das — noch weithin vernachlässigte — ethische Problem im Journalismus bezeichnet.

Gelegentlich gewinnt man in diesem Buch den Eindruck, daß Huter den Anstrengungen der Wissenschaft, die der Komplexität der Phänomene empirischanalytisch gerecht zu werden sucht, nicht immer Gerechtigkeit widerfahren läßt. Auf das interdisziplinäre Zusammenwirken müssen wir hinarbeiten. Das sagt Huter auch; die Stunde dafür ist günstig, wenn heute die Massenmedien in eine von „links" und, „rechts" kommende Fortschrittskritik zunehmend einbezogen werden und wir fragen: Darf der Journalismus, was er kann?

Der Spieß läßt sich auch umdrehen: Kann der Journalismus, was er darf? Ist er so gut, wie er unter den obwaltenden Umständen und bei reichlicher Mittelausstattung sein könnte, um seinen unverzichtbaren Dienst für die Menschen und unsere Demokratie zu leisten?

Eine Sache ist es, den funktionierenden Journalismus zu analysieren, eine andere, wie daraus durch immer neue Anstrengung ein guter Journalismus wird, den wir brauchen. Das ethische Problem ist kein unwissenschaftliches, das man möglichst draußen vor der Tür hält, sondern es gehört ebenso in den Forschungskatalog, wenn die Frage gestellt wird: Für wen wird hier eigentlich gearbeitet?

MENSCH UND MASSENMEDIEN. Der anthropologische Aspekt der Medienforschung. Von Alois Huter. Otto Müller Verlag, Salzburg 1981, öS 350,-.

Der Autor ist Lehrbeauftragter für Kommunikationstheorie an der Universität München.

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