6894029-1980_04_09.jpg
Digital In Arbeit

Monopol und Menschenrechte

Werbung
Werbung
Werbung

Die Europäische Menschenrechtskonvention verbürgt jedermann das Recht auf freie Meinungsäußerung, welches die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen einschließt. Die Konvention läßt es allerdings zu, daß die Staaten Rundfunk- und Fernsehunternehmeri einem „Genehmigungsverfahren" unterwerfen.

Hier stock' ich schon. Ist es ein Genehmigungsverfahren, wenn ein Konventionsstaat wie Österreich für den Rundfunk nicht bloß die Erteilung einer Konzession durch Verwaltungsakt in einem geregelten Verfahren an .jedermann" vorsieht, der ein Rundfunk- oder Fernsehunternehmen betreiben will und bestimmte Voraussetzungen mitbringt, sondern in Anspruch nimmt, die näheren Bestimmungen für den Rundfunk und seine Organisation bundesgesetzlich festzulegen, wobei ein solches Bundesgesetz dann Bestimmungen zu enthalten hat, die „die Objektivität und Unparteilichkeit der Berichter-

stattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe" gewährleisten, die mit der Besorgung der „öffentlichen Aufgabe" Rundfunk betraut sind?

Sieht dieses Bundesgesetz über die Organisation des Rundfunks dann tatsächlich nur eine einzige staatliche Monopolanstalt vor, so ist es nicht abwegig, zu fragen, wo die jedermann als Menschenrecht garantierte Freiheit der Meinungsäußerung auf dem Rundfunksektor in Österreich geblieben ist.

Nun hat die Straßburger Menschenrechtskommission allerdings in einem schwedischen Fall aus 1967

noch gemeint, daß die Konventionsbestimmungen ein staatliches Rundfunkmonopol „comme tel" nicht ausschlössen. Sie ist jedoch 1967 im Sac-chi-Fall von diesem Standpunkt ausdrücklich abgerückt und hat erklärt, daß sie heutzutage diese Meinung ohne neuerliche Prüfung nicht werde aufrecht erhalten können. Zu einer solchen Prüfung ist es bisher nicht gekommen.

Die durch die Konvention auch auf dem Rundfunksektor verbürgte Meinungsfreiheit schließt es aber auch aus, jene Auflagen, die der Verfassungsgesetzgeber legitimerweise für den staatlichen Monopolrundfunk vorsieht - Objektivität, Unparteilichkeit, Meinungsvielfalt, Aus-

gewogenheit, aber auch Unabhängigkeit und Eigenverantwortlichkeit (lies: Weisungsfreiheit) der programmgestaltenden Angestellten -undifferenziert auf private Rundfunkunternehmer im lokalen Bereich zu übertragen.

Der Versuch, das Rundfunk-Verfassungsgesetz so zu interpretieren, führt zu einem völkerrechtswidrigen Ergebnis. Soweit die innerstaatliche Rechtslage mit der Menschenrechtskonvention nicht durch völkerrechtskonforme Interpretation in Einklang gebracht werden kann, ist sie abzuändern, wenn die Republik Österreich nicht wegen einer Konventionsverletzung bei den Straßburger Instanzen sachfällig werden will.

Dr. Michael Graffist Rechtsanwalt in Wien und gilt als Verfassungsexperte der ÖVP, die er wiederholt erfolgreich vor dem Verfassungsgerichtshof vertreten hat. Mit seinem Beitrag beschließen wir vorläufig unsere Serie zur RundfunkmonopoUDe-batte, in der bisher Stellungnahmen von Gerd Bacher, Heribert Steinb'au-er, Franz Stauber, Kurt Dieman und Karl Blecha erschienen sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung