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Pilze gegen Giftstoffe

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Besondere Pilze sollen zukünftig zum Abbau von Schadstoffen eingesetzt werden. Eine US-Firma will sie auch gegen Lindan und PCB einsetzen.

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Besondere Pilze sollen zukünftig zum Abbau von Schadstoffen eingesetzt werden. Eine US-Firma will sie auch gegen Lindan und PCB einsetzen.

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Mit Pilzen rückt eine US-amerikanische Firma Bodenverunreinigungen zu Leibe. Die ersten Feldversuche sollen ebenso vielversprechend sein wie die Prognosen für das Geschäft mit den Mikroorganismen. Auch hierzulande zerlegen natürlich vorkommende Pilze bereits Schadstoffe.

Als „Nature's Pollution Solution" werden die Weißfäulepilze von den Entdeckern ihrer Abbauqualitäten bezeichnet. Frei übersetzt heißt das nicht weniger als „Die natürliche Lösung für die Umweltverschmutzung". Tatsächlich kommen die Vertreter aus der Familie der Holzpilze in der Natur vor. Als einzige Mikroorganismen werden sie mit dem komplexen Lignin-Molekül des Holzes fertig. Nun sollen sie auch Umweltgifte knacken - in großtechnischem Maßstab.

Die neue Anwendung wurde unter der Leitung von Steven Aust, Biochemie-Professor an der Utah

State University, entwickelt und bereits zum Patent angemeldet. Schon bisher ließen die „White Rot Fungi" im Zusammenspiel mit anderen Pilzen Bäume'verfaulen, um zur nahrhaften Zellulose zu gelangen. Neu auf den Speiseplan der Weißfäule-pilze kommen nun Zyanide und Pestizide wie Lindan, DDT, polyaromatische Kohlenwasserstoffe und PCB (polychlorierte Biphenyle). Selbst mit TNT verseuchtes Erdreich (etwa bei Kasernen) sprengt nicht den Rahmen der Einsatzmöglichkeiten, zumindest bei mehrmaliger Anwendung der Pilze. Professor

Aust zufolge zerlegt der Pilz die Umweltgifte zu Kohlendioxid und Wasser. Nach Angaben seiner Vermarkter wird der Mikroorganismus im Labor sogar mit Dioxinen fertig. Da der kontaminierte Boden oft nicht gerade optimale Lebensbedingungen bietet, greift man auf Nährmedien wie Sägemehl oder Holzschnitzel zurück. Die so vermehrten Pilze werden schließlich mit dem verseuchten Erdreich vermischt. Wasserundurchlässige Folien dichten das Ganze ab, belüftet wird künstlich. In den USA laufen Feldversuche unter der Federführung des Lizenznehmers EarthFax. Die Umwelt- und Ziviltechnikfirma mit Sitz in Utah und Michigan hält auch die Rechte für Tschechien, die Slowakei, Polen und Ungarn.

Anläßlich der UTEC-Absorga '93 wurde das Ost-Terrain sondiert, von dem sich die Vermarkter viel versprechen. Im Westen besteht bereits ein boomender Markt für Bodensa-nierer. Das gesamte US-amerikanische Sanierungs-Business erwirtschaftete im Vorjahr 6,5 Milliarden Dollar, für heuer werden 15 bis 25

Prozent Wachstum prognostiziert. Dem großtechnischen Aussetzen steht Ines Janssen, Biochemikerin am Österreichischen Ökologie-Institut, reserviert gegenüber. Ein Organismus könne in fremder Umgebung das vorhandene Ökosystem stören, andere Lebewesen verdrängen. Ausgebrachte Weißfäulepilze können im Boden dominieren, bestätigt auch Professor Kurt Meßner vom Institut für biochemische Technologie und Mikrobiologie der TU Wien. Später verdünnten sie sich aber. Meßner selbst betreut den Einsatz ähnlicher Pilzarten bei der

Klärung von Bleichereiabwässern. Die Mikroorganismen bauen hier chloriertes Lignin ab. Für den Zell-stoffhersteller Leykam-Mürztaler läuft ein Pilotversuch zur Vorbehandlung von Holz mit Pilzen. Meßner und seine Auftraggeber versprechen sich davon Erleichterungen bei der Papierherstellung sowie weniger Energie- beziehungsweise Chemikalieneinsatz in der Folge.

Wie Meßner versichert auch Aust, daß diese Weißfäulepilze lebendiges Holz nicht angreifen. Der positiven Eigenschaften nicht genug: auch Allergieprobleme seien unbekannt.

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