6948753-1984_03_12.jpg
Digital In Arbeit

Religion und Sport

Werbung
Werbung
Werbung

Sarajevo und Los Angeles werden im neuen Jahr die Orte sein, wo junge Menschen aus vielen Völkern und Staaten zusammenkommen, um sich sportlich aneinander zu messen—ein Wettkampf, der nicht zum Krieg werden, sondern Spiel bleiben soll.

Die Spitzensportler, denen hier goldene oder andere Medaillen zugesprochen werden, sind eine Zeitlang die Helden ihrer Nation. Sie verdrängen Wissenschaftler, Heilige und Politiker aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Gold, Silber, Bronze sind verdiente Anerkennung großer und langdauernder Askese.

Sportler sind Asketen: das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet Ringen, Ringen mit sich selbst und Bezwingen seiner Triebstruktur, die zur Trägheit, zur Selbstbescheidung in engen Grenzen verleiten könnte.

Sportler sind Spieler, nicht nur wenn sie am Ball sind. Auch der Leichtathlet ist ein spielerischer Mensch, der durch die Leichtigkeit seiner schwer errungenen Körperbeherrschung andere in Staunen setzt und sie zur Uberwindung der eigenen Schwere verlockt.

Eigentlich sollten alle Menschen Sportler sein: Menschen also, die mit sich ringen und auf diesem Umweg ein Stück Leben in Spiel, in Freude verwandeln. Die meisten Zeitgenossen begnügen sich aber damit, den Sportlern zuzuschauen, andere für sich arbeiten, ringen und spielen zu lassen.

Diese Stellvertretung kann ein pathologisches Ausmaß erreichen. Ein Ubermaß von geschäftlichem Denken mischt sich in den Sportbetrieb. Der Einsatz des Sportlers wird zur Ware, der Ehrgeiz gedeiht bis zur Selbstgefährdung und Selbstzerstörung. Das alles hat mit der Uridee von Sport und Spiel — auch von olympischem Spiel — nichts zu tun.

Abseits dieser Verfallserscheinungen bleibt der Sport ein wichtiger Lebensvollzug: kämpferisch-spielerisches sich Betätigen von Kindern und jungen Leuten; auch von älteren Leuten, die auf diese Weise jung bleiben.

In früheren Kulturen gehörten Sport und Religion zusammen, wie auch Kunst und Religion, Medizin und Religion zusammengehören. Das Ritual großer Sportveranstaltungen erinnert heute noch in Ansätzen an diesen Zusammenhang.

Eine neue Verbindung von Religion, Einwurzelung in Gott mit Sport würde dem sportlichen Betrieb manche Pathologie ersparen helfen und den Werten, auf die es im Sport ankommt — der menschlichen Würde, Fairneß, Kameradschaftlichkeit — neue tiefe Wurzeln geben.

Im Wiener Prater Stadion - einem Ort, der normalerweise Schauplatz großer sportlicher Veranstaltungen ist — hat vor einigen Monaten der Papst 80.000 junge Menschen an diese Werte erinnert. Auch diese wenigen Sätze sollen eine solche Erinnerung sein. ,

Diese Aussage machte Bischof Kapellan am 1. Jänner 1984 im Rundfunk.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung