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Rote Herzensangelegenheit

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Seit Anfang dieses Jahres demonstriert Sowjeteuropa nicht nur seine volle politische Solidarität mit Nordvietnäm, sondern zahlreiche polnische, ungarische und tschechoslowakische, ja sogar rumänische, und vor allem sowjetische Delegationen verhandelten in Hanoi über Erhöhung und rasche Intensivierung || der moralischen, militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung des kleinen kriegführenden südostasiatischen Landes. Nur die Blinden sehen es nicht, daß:,diese. Krieg ßiSStefc Linie ein indirekter Krieg Rußlands gegen die Vereiirigten^taateri“ geworden ist. Paradox ist dabei, daß parallel mit der Sowjetisie-rung des Vietnamkriegs Pekings Beziehungen zu Nordvietnam sichtlich lockerer geworden sind.

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Seit Anfang dieses Jahres demonstriert Sowjeteuropa nicht nur seine volle politische Solidarität mit Nordvietnäm, sondern zahlreiche polnische, ungarische und tschechoslowakische, ja sogar rumänische, und vor allem sowjetische Delegationen verhandelten in Hanoi über Erhöhung und rasche Intensivierung || der moralischen, militärischen und wirtschaftlichen Unterstützung des kleinen kriegführenden südostasiatischen Landes. Nur die Blinden sehen es nicht, daß:,diese. Krieg ßiSStefc Linie ein indirekter Krieg Rußlands gegen die Vereiirigten^taateri“ geworden ist. Paradox ist dabei, daß parallel mit der Sowjetisie-rung des Vietnamkriegs Pekings Beziehungen zu Nordvietnam sichtlich lockerer geworden sind.

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Der neueste und interessanteste Aspekt war im März das Eintreffen einer hohen sowjetischen Militärdelegation in der nordvietnamesischen Hauptstadt unter der Leitun? des Marschalls Pavel Batitsky, des Oberkommandierenden der sowjetischen Luftverteidigungskräfte. Allein die persönliche Zusammensetzung der Delegation verriet auf den ersten Blick, daß es sich um Verhandlungen von größter Tragweite handeln mußte, da die höchsten Spezialisten der Sowjetarmee für Radartechnik und Raketen darunter waren: Generalleutnant A. N. Sew-tschenko leitet die Politische Hauptabteilung der Luftwaffe und der Marine; Generalleutnant der Artillerie F. M. Boldarenko ist Kommandeur der Flugabwehr-Raketeneinheiten, Generalleutnant M. T. Bere-gawoj Chef der Luftabwehrradarformationen.

Die erwähnte Militärdelegation war im übrigen die vierte sowjetische Expertengruppe auf ministerieller Ebene, die binnen einem Monat Nordvietnam mit wichtigen Aufträgen besucht hat. Im März 1972 weilten drei aktive Sowjetminister mit ihren Fachreferenten in Nordvietnam: T. B. Guschenko, Minister für die Handelsflotte, besuchte die Häfen und Werften von Haiphong und Hon-Gai und die Bucht von Ha-Long (die den Eingang zum Hafen Hon-Gai bildet), außerdem N. D. Psurtsew, Minister für das Kommunikationswesen und Frau Y. A. Furtsewa, Kulturminister.

Im Jahre 1971 haben 340 Sowjetschiffe ungefähr eine Million Tonnen Fracht aus dem Hauptnachschubhafen am Schwarzen Meer, Odessa, und von fernöstlichen Sowjethäfen nach Nordvietnam transportiert. 1972 wird die Menge der Lieferungen wesentlich erhöht werden. Allein im Jänner 1972 wurden Lieferungen von 60.000 Tonnen, um 20 Prozent mehr als im selben Monat des Vorjahres, im Hafen Odessa für Hanoi abgefertigt.

Mit der Erhöhung der sowjetischen Hilfslieferungen parallel, bemüht sich Moskau, seinen Einfluß auf allen Gebieten in Nordvietnam auf Kosten der Chinesen auszubauen und zu festigen. Die Chinesen machen keine

Anstrengungen, ihre früheren Positionen zu behalten.

Für die nordvietnamesische Kriegführung war jedoch der kürzliche Besuch der höchsten Militärdelegation aus dem Kreml von größter Wichtigkeit. Die vordringlichste Aufgabe ist es derzeit, die Luftverteidigung Nordvietnams so rasch wie möglich zu verbessern, mit Rücksicht auf die massiven amerikanischen Luftangriffe. Moskau rechnete allerdings schon immer damit, daß die Amerikaner, wenn sie nicht Selbstmord begehen wollten, starke Air-Force-Einheiten in Südvietnam stationieren würden. Dementsprechend haben sich die Sowjets verpflichtet, an Hanoi verwiegend Luftabwehrwaffen, Flugzeuge, Raketen und Radarausrüstungen zu schicken. China hingegen begnügte sich mit Polemik, und die Hilfssendungen waren in der Kriegführung nicht entscheidend.

Der Vietnamkrieg war von Anfang an Moskaus Herzensangelegenheit. Ein Teil der finanziellen und materiellen Lasten wird jedoch auch auf die osteuropäischen Verbündeten abgewälzt. Für Nordvietnam resultiert daraus die wichtige Frage, was geschieht, wenn das Land ganz von der osteuropäischen (oder russischen) moralischen und materiellen Hilfe abhängen wird. Die Nordvietnamesen können auf Chinas Unterstützung schon wegen der prekären Situation ihrer Landwirtschaft nicht verzichten. Zwischen Peking und Hanoi liegt aber derzeit eine undurchsichtige, dicke Nebelwand des Schweigens, des Mißtrauens und der Inaktivität. Wie lange können sich das die Partner noch leisten?

Und Hanois Sorgen sind seit der amerikanisch-chinesischen Annäherung größer geworden.

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