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Seit zwei Jahrtausenden Christen in Süd-Indien

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Als Apostel des Ostens ist der heilige Thomas Indiens besonderer Stolz. Gemäß der Uberlieferung und der Überzeugung der südindischen Christen kam der Apostel Thomas bereits im Jahre 52 nach Christus nach Malabar, dem heutigen Bundesstaat Kerala, und gründete dort die ersten Christengemeinden Indiens. Weil die Christen dieser Gegend ihr Christentum von Thomas herleiten, sind sie allgemein als Thomaschristen bekannt.

Das Johannesevangelium nennt den Apostel „Zwilling“, den Zweifelnden an der Auferstehung des Herrn, der aber auch bereit ist, für den Herrn zu sterben (Jo. 11, 16; 20, 24-25; 21, 2). Aber über sein Leben und Wirken in Indien fehlt in den Evangelien jede Spur.

Die reichste, aber auch älteste Quelle über Thomas sind die „Thomasakten“ der apokryphen Apostelgeschichte aus dem 3. Jahrhundert. Verfaßt in griechischer und syrischer Sprache, erzählen sie über Thomas' Ankunft und Mission in Indien und seinen Tod in Mylapore, einer kleinen Stadt in Südindien.

Nach den Thomasakten fährt Thomas mit dem Kaufmann Habban und landet an der Malabarküste. Unermüdlich predigt er das Evangelium, bekehrt Tausende zum christlichen Glauben, darunter auch den König Gundaphar und seine Familie. Damals stand Südindien als Gewürze exportierendes Land in enger Handelsbeziehung mit dem Nahen Osten. König Gundaphar, der zwischen 20 und 30 n. Chr. regiert hat, also ein Zeitgenosse des Apostels, ist auch historisch nachweisbar.

Da es Thomas gelungen ist, viele Menschen aus der königlichen Familie und aus den vornehmsten Kasten zu bekehren, geriet er immer mehr in Konflikt mit den mächtigen Brah-manen der Priesterklasse der Hindu; am 3. Juü '72 starb er in Mylapore als Märtyrer. Seine Jünger bestatteten ihn in der Gruft der alten

Könige auf einem Hügel in Mylapore - heute ist er bekannt als St. Thomas Mount - wo eine Kirche zu seiner Ehre errichtet wurde.

Ab dem 4. Jahrhundert werden die Thomaslegenden immer zahlreicher. Einige Kirchenlehrer wie Ambrosius (t 397), Gregor von Nazianz(t 390) und Paulinus von Nola (t 431) erwähnen Thomas' Tätigkeit in Indien.

Die fast ununterbrochene Tradition der südindischen Christen, zahlreiche Zeugnisse der Kirchenväter, Funde und das Apostelgrab in Mylapore - all das weist eindeutig darauf hin, daß der hl. Thomas nach Indien kam und dort als Märtyrer starb. Die Apostelverzeichnisse, Kaiendarien und Martyrologien der lateinischen, griechischen und der syrischen Kirche bestätigen diese Annahme.

Mit dem Kommen des Thomas von Kaana (oder Jerusalem) bekam das indische Christentum ein syrisches Gepräge. Er kam um 345 mit einer kleinen syrischen Kolonie nach Malabar und siedelte sich dort an. Bis ins 16 Jahrhundert regierten syrische Bischöfe die indische Kirche. Der Gebrauch der syrischen Sprache in der Liturgie und manche syrische Gebräuche der Malabarchristen, die noch heute üblich sind, sind auf diesen frühen syrischen Einfluß zurückzuführen.

1896 schuf Papst Leo XIII. drei apostolische Vikariate mit syromäla-barischen Bischöfen als Oberhirten. Damals gab es 292.000 Gläubige, 428 Weltpriester, 66 Ordenspriester und 80 Ordensschwestern. Der erfreuliche Zuwachs der Thomaschristen läßt sich an den statistischen Angaben von 1977 erkennen: 2,2 Millionen Gläubige, 1883 Weltpriester, 2275 Ordenspriester und 14.216 Ordensschwestern. Sie unterhalten eigene Schulen, Colleges, Spitäler und Waisenhäuser und leisten einen unersetzlichen Beitrag für die religiöse und soziale Besserstellung des Landes.

Die Thomaschristen Indiens unterscheiden sich in nichts von ihren hinduistischen Landsleuten. Die Kirche, die eigentlich örtlichen Ursprungs ist, ist völlig in die einheimische Kultur und Tradition integriert. Seit 1962, nach der großen liturgischen Erneuerung, halten diese Thomaschristen ihre liturgische Feier in der Regionalsprache Malaya-lam.

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