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Weihnachtsfest — seit wann?

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Jeder Kalender ist an einen be-ftehenden Kultus gebunden, der das Jahr nach den verschiedenen Festen aufteilt und ordnet. Für das Urchristentum bot der jüdische Kalender die Unterlage der Festtagsordnung, da sein größtes Fest, Tod und Auferstehung des Herrn, gemäß allen vier Evangelien mit dem jüdischen Fassah- (Oster-) Fest zusammenfiel und somit im christlichen Kultkalender seinen festen Platz hatte. Und noch um 200 n. Chr. lesen wir bei dem afrikanischen Kirchenvater Tertullian nur von Pentekoste als christlicher Festzeit (neben dem wöchentlich wiederkehrenden Tag des Herrn), welche von Karfreitag bis zum 50. Tag nach Ostern, also bis Pfingsten, währte.

Da die Geburt des Herrn erst unter dem Gesichtspunkt seiner Erlösungstat als heilsrelevant verstanden werden konnte, mußte dieser Glaube natürlich auch die literarische Ausgestaltung der Geburts- und Kindheitsgeschichte entscheidend mitbestimmen. Christus als Erlöser mußte schon zum festen Besitz der Gemeinde geworden sein, bevor man an Berichten über seine wunderbare Geburt interessiert sein konnte. Und daß sowohl die heidnische Antike wie das hellenistische Judentum über eine Sprache verfügten, die den damaligen Menschen solche Retterund Erlösergestalten als vom ersten Augenblick ihres Erdenlebens an erkennbar vor Augen führen konnte, geht aus zahlreichen Beispielen hervor. Die ausgesetzten Knaben Romu-Ius und Remus wurden von einer Wölfin großgezogen, Herakles erdrückte als Säugling mit seinen beiden Händchen zwei ihm von der feindlichen Göttin Hera gesandte Schlangen, Olymipias, die Mutter Alexanders des Großen, träumte in der Nacht vor ihrer Vermählung, daß unter krachendem Donner ein Blitz in ihren Schoß niederfiel und aus diesem Schlag ein Feuerball hervorbreche, und Moses entging den Nachstellungen des Pharao, wurde in einem Körbchen aus dem Nil gerettet und riß sich nach einem Bericht bei Josephws Flavius als Kind die ihm vom Pharao auf den Kopf gedrückte Krone herunter, die er ungestraft mit Füßen trat. Diese Beispiele mögen genügen, die Bereitschaft der Antike zu beweisen, außergewöhnliche Menschen und Heroen als von Geburt an unter anderen Gesetzen stehend und somit als von der Welt sogleich erkennbar darzutun.

Epiphanie

Die beiden Kindheilsgeschichten bei Matthäus und Lukas nun bedienen sich reichlich einer derartigen, die Bedeutung der Geburt des Heilandes unterstreichenden Sprache und bereiten durch die vielen Engel-visionen auf das Erscheinien des göttlichen Kindes vor. Der Verfasser der lukanischen Kindheitsgeschichte aber läßt den Engel, der den Hirten die Geburt Christi mit den Worten verkündet: „Denn siehe, ich verkündige euch eine große Freude“ (Lk. 2, 10), für verkündigen euangellein) dasselbe Wort verwenden, das sich Is. 61, 1 (um den Armen die Frohbotschaft zu verkündigen) findet, was der Evangelist bei der Wahl des Wortes wohl mitbedacht haben mag, was aber damals in der Sprache des römischen Kaiserkultes ein stehender Ausdruck für Mitteilungen war, die über die Person des Kaisers dem Volk gemacht wurden. So ist in einer Inschrift aus Priene in Kleinasien in bezug auf Augustus zu lesen: „Der Geburtstag des Gottes war für die Welt der Anfang der Freudenbotschaften (Euangellion), die seinetwegen ergangen sind.“

Und welches waren nun die „Freudenbotschaften“, die über die röm-schen Kaiser an das Volk ergingen? Es waren dies eben seine Geburt, sein erstes Auftreten in der Öffentlichkeit, seine Spenden an das Volk, seine Siege, die er zum Wohl seiner Untertanen errang. Die Heidenchristen der ersten Jahrhunderte fanden in der Darstellung der Kindheit und Jugend Christi bald eine Parallele zu diesen „Frohbotschaften des Kaisers“, zu dieser Epiphanie des Kaisers, wie der amtliche Terminus der römischen Kanzlei lautete. Sie faßten Geburt und Verehrung durch die Heiligen Drei Könige als Sichtbar-

werden, Taufe und Hochzeit von Kana als erstes Auftreten in der Öffentlichkeit und die wunderbare Brotvermehrung als Spenden an das Volk unter dem Begriff der Epiphanle des Herrn zusammen.

Bezugspunkte zum Heldentum

Wenn sich auch die Verfasser der Evangelientexte selbst auf Stellen des Alten Testamentes bezogen — als Parallele für die Helligen Drei Könige wäre an Ps. 27, 10 („Die Könige von Tarsis und die Inseln werden Geschenke opfern, die Könige von Arabien und Saba werden Gaben bringen.“) zu denken —, so mußten doch

seine heidenchristlichen Leser sich an den ständig erlebten Kaiserkult erinnert fühlen. Und da nun auch für die seit dem 3. Jahrhundert immer mehr im antiken Heidentum zunehmende Sonnenverehrung das Alte Testament eine Stelle aufwies (Mal. 4, 2: „Aber euch, die Meinen Namen fürchten, wird aufgehen die Sonne der Gerechtigkeit...“), die auf Christus bezogen wurde, so waren damit eine solche Menge von Bezugspunkten geschaffen, daß gläubig gewordene Heidenchristen Feste des Heidentums mit einem ähnlichen Festinhalt christlich verstehen konnten und mußten.

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