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Sechs Wochen zum Stern unterwegs

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Hat Christi Geburt am 25. Dezember „eins vor Christus“ stattgefunden? Sicher nicht. Daß es in der Datierung des Weihnachtsfestes Unstimmigkeiten gibt, stört keineswegs die Weihnachtsfreude gläubiger Christen.

Der heute in Innsbruck lebende Astronom Konstantin Ferrari d'Ochieppo hat dazu die auf Keil-schrif ttaf ein erhaltenen Beobachtungen babylonischer Sterndeuter und die literarischen Uberlieferungen hebräischer, griechischer, lateinischer Autoren jener Zeit herangezogen, aber auch die noch vagen Berechnungen frühmittelalterlicher Mönche und die Ergebnisse moderner Wissenschaftler — alle zusammen lassen nur Annäherungswerte zu. Und doch nehmen Personen und Ereignisse des Matthäusevangeliums Gestalt an, die über die Symbolik der Frohbotschaft hinaus deren historische Realität erkennen läßt.

Die „Heiligen Drei Könige mit ihrem Stern“ sind weder Könige noch drei — jedenfalls bei Matthäus. Frühe Deutungen nannten noch zwölf, erst die Dreizahl der Geschenke — Gold, Weihrauch, Myrrhe — im Evangelientext ließ den frühchristlichen Gelehrten Origines auch auf drei Geber schließen.

Schon lange haben sie auch die Bezeichnung „Magier“ in der Bedeutung „weise Männer“, Sternkundige, die bereits damals eine erstaunliche Kenntnis vom Lauf der Gestirne besaßen — zweitausend Jahre bevor ihre wissenschaftlichen Nachfahren von Su-perobservatorien aus ihre Beobachtungen mit allen Hüf smitteln moderner Technik nachprüfen konnten.

Ferrari nimmt an, daß diese Magier aus dem damals bereits sehr zusammengeschmolzenen Kreis der Nachkommen der einst mächtigen Mardukpriester in Babylon stammten und tief religiöse Männer der Wissenschaft waren, die ihren heiligen Dienst höher stellten als persönliche Bequemlichkeit, Reichtum und irdischen Ruhm.

Was aus ihnen geworden ist, nachdem sie nach ihrem Besuch in Bethlehem „auf einem anderen Wege“ in ihr Land zurückgezogen sind, darüber schweigen die Quellen. „Nur die von einem Jahrzehnt zum andern spärlicher werdenden Quellen ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit in Form astronomischer Kalender sind stumme Zeugen dafür, daß sie selbst oder eine letzte Generation ihrer Schüler bis um die Zeit der Zerstörung Jerusalems - 70 nach Christus—in Babylon gelebt haben“, vermutet Ferrari.

Wie steht es nun mit dem Stern, der die Weisen aus dem Morgenland nach Bethlehem führen sollte?

Schon Johannes Kepler berechnete, daß im Jahr 747/748 nach der sagenhaften Gründung Roms -„ab urbe condita“ — eine lang andauernde Begegnung von Jupiter und Saturn stattgefunden habe, deren Höhepunkt im Tierkreiszeichen der Fische gelegen sei — das aber weise nach babylonischer Deutung auf das Land zwischen Nü und Tigris, speziell auf Palästina hin.

Ferrari deutet die Vorgänge aus der Sicht der Magier: „Der Stern ihres höchsten Gottes, der Jupiter, tritt von Osten her im Abendaufgang an die Seite des Sterns Israels, des Saturn, um mit ihm in größtem Glanz den Himmel vom Aufgang bis zum Niedergang zu beherrschen. Endlich bleibt er ganz dicht bei ihm in eben jener Himmelsgegend stehen, die man auf Palästina, das Land der Verheißung, bezog.“

Der Weg der Magier von Babylon nach Jerusalem, unter Umgehung der arabischen Wüste, dürfte ungefähr 1100 Küometer lang gewesen sein, also etwa sechs Wochen Reisezeit. Wenn die Weisen bald nach Abendaufgang des Sterns aufgebrochen seien, dürften sie im November angekommen sein.

Als sie gegen Abend von Jerusalem nach Bethlehem ritten, befanden sich Jupiter und Saturn nahe der stumpf auslaufenden Spitze des Zodiakallichtkegels, einer zarten, nicht scharf begrenzten Leuchterscheinung. Der Untergangspunkt der Helligkeitsachse richtete sich während der

' ganzen „ersten Nachtwache“-bis gegen 22 Uhr Ortszeit - an dieselbe Stelle des Horizontes: Das Licht des Jupiter, des Messiassterns, wies beständig auf denselben Ort - „darüber, wo das Kind war“.

Wann ist aber nun Christus tatsächlich geboren worden? Als der Mönch Dionysius Exiguus im frühen sechsten Jahrhundert eine neue Zeitrechnung kalkulierte und sie mit der Geburt Christi beginnen ließ, verrechnete er sich um sieben Jahre. Das echte Geburtsdatum läge damit schon im Jahr sieben „vor Christus“. Zu dieser Zeit wurde das Geburtsfest in bewußter Umdeutung des heidnischen Festes vom unbesiegten Sonnengott bereits am 25. Dezember begangen.

Das kann aber als Geburtsdatum Jesu nicht stimmen, denn im hohen Winter wäre es im hochgelegenen Bergland von Judäa zu kalt gewesen, als daß die Hirten „bei ihren Herden auf dem Felde“ hätten lagern können.

Nach Lukas fand die Darstellung Jesu im Tempel vierzig Tage nach der Geburt statt — wie Ferrari vermutet, schon vor der Ankunft der Magier. Damit schätzt er den Geburtstermin spätestens auf September 747 römischer Zeitrechnung.

Oder war es doch schon der 6. Jänner? Dann wäre Jesus bei der Ankunft der Magier bereits zehn Monate alt gewesen. Im Papyrus Bodmer V steht, sie hätten Jesus „stehend“ vorgefunden.

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