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Die Entstehung des Weihnachtsliedes

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„Blickt auf die Junge Generation, Meister des Denkensl Sie richtet ihr Augenmerk mit berechtigter Hoffnung auf euch, erwartet von euch in der Sehnsucht nach großem Denken eine geistige Zusammenschau, die ihrem Leben Sinn und Ordnung gibt Nach so viel Irrtum, der auf die hartgeprüfte Jugend in den letzten Jahren einstürmte, bedarf sie einer klaren, tief im Geistigen verwurzelten Lehre und Führung, um nicht im Dunkel materialistischer Weltanschauung zugrunde zu gehen... Solange der moderne Mensch keine befriedigende Antwort erhält auf die grundlegenden Fragen vom Sinn des Lebens, des Leides, des Todes, fühlt er den Boden unter seinen Füßen wanken... Doch welche Antwort kann die Philosophie geben, wenn sie nicht im Absoluten verwurzelt Ist, im persönlichen Gott, dem Ursprung und Urziel aller Dinge?... Die deterministische und materialistische Deutung des Daseins — unvereinbar mif den elementarsten psychologischen, moralischen und geschichtlichen Gegebenheiten —, vermag dem Menschen weder Glück noch Frieder zu geben.“

Pius XII. am 20. Novemoet an die zum Internationalen Philosophenkongrefi in Rom vor ihm erschienenen Gelehrten aus 14 Nationen

Es gibt Weinachtslieder, die Volkslieder geworden sind. In der morgenländischen Kirche soll Weihnachten schon seit dem 4. Jahrhundert, in der abendländischen seit dem 5. Jahrhundert gefeiert worden sein. Kaiser Justinian verfügte für die römisch-katholische Kirche, daß das Weihnachtsfest im 25. Dezember, das Epiphaniasfest am 4. Jänner zu begehen sei. (Ich entnehme diese Ausführungen einer Studie über „Alte Weihnachtslieder“ von Fritz Erckmann.) Heidnische und christliche Gebräuche vermengten sich. Eine Besonderheit — die allen anderen Religionen1 fremd war — verband die christlidie Kirche mit diesem Fest: die Weihnachtslieder. Ungemein reichhaltig sind griechische und lateinische Lobgesänge. Uralt ist das „Ehre sei Gott in der Höhe“. Es ist schon um das Jahr 600 feststellbar und w'rd auch im Mittelalter gepflegt. (Nelle, „Geschichte des deutschen evangelischen Kirchenliedes.“) Sowohl Karl der Große, als auch Bonifazius haben die bevorzugte Stellung des Lateinischen im Gottesdienst eingeführt. Das deutsch gesungene Weihnachtslied entstand erst im IC. und 11. Jahrhundert. Das Volk wollte sich am Gottesdienst wenigstens durch Gesang beteiligen. Es durfte in das Kyrie eleison einstimmen. Dies war auch bei Begräbnissen, Umzügen, Bittgängen, beim Empfang hoher Würdenträger und vor der Schlacht der Fall. Im „Ludwigslied“ lautet eine Stelle: „Der König ritt mutig, sang ein Lied heilig und allesammen sungen: Kyrie eleison! S'ang war ausgesungen, Kampf ward begunnen.“ Darin findet sich die erste Anregung zum geistlichen Volkslied in deutschet Sprache. Das Volk bestand darauf, bei Prozessionen deutsche Lieder zu singen. Da manche Prozessionen von den Kirchen ausgingen und wieder zu ihnen zurückkehrten, warr dem deutschen Lied der Weg in das Gotteshaus geebnet.

Weihnachtslieder gehören zu den ersten Gesängen, die in der Kirche in deutscher Sprache gesungen wurden. Erckmann weist darauf hin, daß die abergläubische Mensdi-heit im 10. Jahrhundert von der Furcht befallen war, daß im Jahre 1000 der Untergang der Welt bevorstehe. Reiche gaben ihr Vermögen der Kirche und den Armen oder pilgerten nach dem heiligen Land. Andere flohen ins Gebirge, viele praßten und sdilemmten in unsinniger Weise, bis sie kein Geld mehr hatten Tausende stimmten in Angst und Bangen das Kyrie eleison an. Das Jahr 1000 kam. Die Sonne ging ihren Sphärenlauf weiter, die Erde zerbarst nicht. Eitel Freude und Jubel bemächtigte sich der Menschen. Die Klagegesänge wurden von Freudenliedern abgelöst. Und so war es nur natürlich, daß auch das Ereignis der Geburt des Heilands besungen wurde.

Im Jahre 1825 entdeckte der Sammler alter Handschriften Chr. Quix das älteste bekannte deutsche Weihnachtslied. (Historische Beschreibung der Münsterkirche und Heiligtumsfahrt in Aachen.) Es hat folgende Fassung:

„Nun siet uns willekommen, hero kerst, die ir unser aller hero siet. Nun siet uns willekommen lieber hero. die ir in den Kirchen schöne stiet. Kyrie eleyson!“

Qoix berichtet, daß sich in der Weihnachtsnacht die Herren Schöffen von Aachen in der Gerichtsstube versammelten und sich in die Münsterkirche begaben, wo sie die Chorstähle auf der rechten Seite einnahmen und wo nach dem Evangelium der Schöffenmeister das vorstehende Lied anstimmte, das dann vom Chor weitergesungen wurde. Da der Text, wie er sich in jener Handschrift befand, nicht der Urtext war, hat ihn Hoff mann von Fallersleben in das Altniederdeutsche zurückübersetzt. Die erste Strophe gibt er folgendermaßen wieder:

„Nu sis willekome, herro Crist, du unser aller herro bist! Nu sis uns willekomen, lieber herro, der du in der kirchen stast scono.“

Von älteren Weihnachtsliedern hat sich nur noch ein anderes aus dem 12. Jahrhundert erhalten. Es beginnt mit den Worten: W

„Er ist gewaltig und stark, Der zu Weihnachten geboren ward. Das ist der heilige Christ. Ja, lobt ihn alles, das dir ist“ — und schließt mit folgenden Zeilen:

„Ich habe gedienet lange

Leider einem Manne,

der in der Hölle umgaht,

der prüfet meine Missetat,

sein Lohn, der ist böse.“

Daß es wenige ältere Weihnachtslieder gibt, hat seinen Grund im Mar'endienst. Schon im 12. und 13. Jahrhundert war die Verehrung der Mutter Jesu weit verbreitet und beeinflußte die katholischen Weihnachtslieder. Die Marienlieder stehen zwar auch mit Christi Geburt im Zusammenhang, aber Jesus ist Nebenperson, im Mittelpunkt steht Maria. Manche der schönen Marienlieder können zugleich als Weihnachtslieder angesprochen werden. Das Adventlied „Es wolt gut Jäger jagen“ ist ein Beispiel dafür. Es gehört zur Gruppe der epischen Weihnachtslieder, die in die letzten Jahrhunderte vor der Reformation zurückgreifen. Vielleicht das bekannteste Weihnachtslied „Es ist ein Reis (oder Ros) entsprungen“ war ursprünglich auch ein Marienlied.

Michael Prätorius (1571 bis 1621), ein bedeutender Komponist und Musikschrift-steller — unter anderen stammen drei- bis zwölfstimmige Kirchenlieder aus ' seiner Feder — hat das lateinische Weihnachtslied aus dem 14. Jahrhundert „Quem pasto-res laudavere„ unter dem Titel „Den die Hirten lobten sehre“ ins Deutsche übersetzt, das abwechselnd mit lateinischem und deutschem Text gesungen wurde. Dieses sowie „der Tag. der ist so freudenreich“ und „Jesus Christus unser Heiland“ sind volkstümlich geworden.

Aus dem 14. Jahrhundert sind mehrere Weihnachtslieder erhalten geblieben, deren Texte teils deutsch, teils lateinisch sind. Das berühmteste ist „In dulce jubilo“. „Aus diesem Liede spricht der volle wahre Jubel der Christenfreude, und aus seiner prachtvoll jauchzenden Melodie der helle laute Freudengesäng einer ganzen Gemeinde, eines ganzen Christenvolkes, welches dem Frohlocken, das alle Herzen in gleicher Stärke durchzittert, durch weithin schallende Jubeltöne Luft machen muß. Darum ist denn auch dies Lied unverändert in die evangelische Kirche mit herübergenommen worden, hat in der Mette auf Weihnachten Jahrhunderte lang viel tausend Herz erfreut und erhoben, und erst in den Zeiten unserer Großväter und Väter sind seine Jubelklänge verstummt.“ (Vil-mar, „Geschichte der deutschen Nationalliteratur“.)

„Mischlieder“ wurden bis ins 19. Jahrhundert auch in der lutherischen Kirche gesungen. Eines der ältesten dieser Gattung ist das 1370 niedergeschriebene Weihnachtslied „Gelobet seist du Jesus Christ“, das erstmalig in dem „Gcystliche gesangk Buchleyn“ (Wittenberg) in Druck erschien. Das einzige und vollständige Exemplar in fünf Stimmen besitzt die Nationalbibliothek in Wien. Verfasser ist Luthers Freund Johann Walther, knrfürstlieh sächsischer Kapellmeister. Luther ist nicht der Verfasser des ganzen Liedes. Es hat auch in das erste katholische Gesangbuch von Michael Vehes „Ein New Gesangbüchlin Gcystlicher Lieder, vor alle guthe Christen nach Ordnung Christlicher kirchen — Gedruckt zu Leiptzigck durch Neckel Wolrab 1537“, Aufnahme gefunden.

Erhalten geblieben sind aus dem Mittelalter eine größere Zahl von „Leisen“ oder , „Kirleisen“, geistliche Volkslieder, die mit dem Ruf Kyrie eleison (Herr, erbarme dich unser) schlössen. Wie bereits erwähnt, war es der einzige Gesang, den ursprünglich die Gemeinde beim Gottesdienst anstimmen durfte. Als auch er ihr entzogen wurde, entstanden viele christliche Volkslieder, die den Kirchenliedern nachgebildet und bei Büß- und Bittgängen, auf dem Wege nach und aus der Kirche, ferner von Seeleuten, Kreuzfahrern und Palästinapilgern, wie auch von Kriegern vor und nach der Schlacht angestimmt wurden.

Neben erzählenden Weihnachtsliedern sind vor der Reformation „dramatische“ Lieder bekannt, sogenannte „Kindelwiegenlieder“, die im Volke heimisch geworden. Bereits im 14. Jahrhundert waren sie allgemein beliebt. Sie kamen aus Frankreich nach Deutschland. Hoffmann schreibt darüber: „Biblische Darstellungen der Geburt Christi waren schon frühzeitig in den Kirchen Frankreichs üblich. Zu Rouen wurde nach dem Tedeum am heiligen Weihnachtstäge die Anbetung der Hirten also gefeiert: hinter dem Altare ist eine Wiege erbaut, darauf das Bildnis der heiligen Jungfrau. Vor dem Chor auf einer Erhöhung steht ein Knabe, welcher den Engel darstellt, und verkündet die Geburt Christi. Durch die große Tür des Chores treten die Hirten ein und gehen auf die Krippe zu unter dem Gesang: Pax in terris usw.; sie begrüßen die Jungfrau und beten das Kind an. Vor dem Altare wird eine Messe gelesen; nachdem sie der Priester geendet, wendet er sich zu den Hirten und fragt: „Quem vidistis pastores?“ Die Hirten antworten: „Natum vidimus.“

In den handschriftlichen Liedern des Mönchs von Salzburg — er lebte am Hofe des Erzbischofs Pilgrim II. von Salzburg (1365 bis 1396) — im Münchner Cod. germ. 715 ist folgende Erklärung beigefügt: „Zu den Weihnachten der froelich Hymnus: A solis onus cardine, und so man das kindel wigt über das Resonet in laudi-bus hebt unser Frau an zu singen in einer Person: Joseph, lieber neve mein. So ant-wort in der andern Person Joseph: Gerne, liebe mueme mein. Darnach singet der kor die andern vers in einer diener weis, dar nach den kor.“

Wie im Mittelalter, ist auch in unseren Tagen das Weihnachtslied noch immer hehres Volksgut. Namentlich in unseren Alpenländern wird es in der Überlieferung ' in besonderer Vielfalt gepflegt. Seitdem am 24. Dezember 1818 bei der Christmette in der Oberndorfer St.-Nikolaus-Pfarr-kirche im Salzburgischen das Weihnachtslied „Stille Nacht, heilige Nacht“ zum erstenmal erklungen ist, hat diese schlichte, innige Weise Weltverbreitung erlangt. In ungezählten Sprachen ist es in allen Zonen der Erdteile zum Volkslied geworden.

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