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Wege am Ufer

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Seit dem 1. August ist in Bayern ein Gesetz in Kraft getreten, dem in mehrerlei Hinsicht ein überregionales Interesse gewiß sein dürfte: das neue Naturschutzgesetz, das das alte Reichsnaturschutzgesetz aus dem Jahre 1935 ablöst, enthält in seinen 60 Paragraphen einschneidende Bestimmungen, die im Prinzip das Gemeinwohl eindeutig privatem Tun und Lassen voranstellen, diesem Vorrang mit gewichtigen Sanktionen Nachdruck verleihen und insgesamt den Anspruch erheben, „vom konservierenden zum gestaltenden Naturschutz“ überzuleiten.

Das Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen, das in wesentlichen Punkten das Gesetz entworfen hat, erhält für dessen Durchführung eine nicht unerhebliche Zahl von Hilfsorganisationen zugeteilt. So werden nun alle mit dem Naturschutz befaßten Verwaltungsbehörden — insbesondere die Stadt- und Landkreise — mit hauptamtlichen Fachkräften ausgestattet. Ihnen beigeordnet für die wissenschaftliche Beratung sollen ehrenamtliche Naturschutzbeiräte gebildet werden. Außerdem ist die Gründung einer „Akademie für Naturschutz und Landschaftspflege“ vorgesehen. Ferner soll eine aus freiwilligen Hilfskräften gebildete „Naturschutzwacht“ in Zusammenarbeit mit Behörden und Polizei dafür sorgen, Zuwiderhandlungen festzustellen, zu verhüten, zu unterbinden und zu verfolgen. Der Maximalwert der verhängten Bußen kann dabei die Summe von 50.000 Mark erreichen.

Den Kreisen ist ferner erstmals die gesetzliche Befugnis zu konkreten Landschaftspflegemaßnahmen zugewiesen. Dazu gehören u. a. das Abmähen von Brachfläohen, die Rekultivierung ausgebeuteter Kiesflächen und das Wiederanpflanzen in ausgeräumten Landschaften. Besitzer von „Spekulationswiesen“ sind verpflichtet, diese auf eigene Kosten zu pflegen.

Neu eingeführt wurde auch die Duldungspflicht für Grundeigentümer. Wenn der Naturhaushalt oder das Landschaftsbild beeinträchtigt oder gefährdet sind, müssen sie Maßnahmen wie beispielsweise die jährliche Mahd ungenutzter Wiesen durch Beauftragte

der Naturschutzbehörden zulassen. Darüber hinaus gibt das Gesetz den Behörden die Möglichkeit, Vorhaben in der freien Natur je nach dem Grad der Beeinträchtigung zu untersagen, Auflagen und Bedingungen festzusetzen und die Durchführung von Gestaltungsplänen zu verlangen. Nationalparke und Naturparke sind dabei mit Sonderbestimmungen berücksichtigt.

Ausgehend von dem Prinzip, daß „alle Teile der freien Natur... von jedermann unentgeltlich betreten werden“ können, finden sich in dem Gesetz einige Passagen, die das bisherige Recht der Grundeigentümer zum Teil empfindlich zurückstutzen. Sperren der Grundstücke bedürfen in der Regel der Genehmigung der Naturschutzbehörden und können nur bei gesetzlichen Gründen erteilt werden.

Diese Bestimmungen zielen vor allem auf die Seeufergrundstücke, die ausdrücklich mit in das Betre-tungsrecht aufgenommen sind. Wo der Zugang zum Seeufergrundstück durch davorliegende, eingefriedete oder sonst gesperrte Grundstücke verschlossen wird, verpflichtet das Gesetz den Grundeigentümer zur Freihaltung eines Durchganges.

Um künftig unnötige Reibereien zu vermeiden, ist in dem Gesetz auch ein Vorkaufsrecht für schutzwürdige Grundstücke durch interessierte Institutionen vorgesehen.

Das Gesetz, das im Landtag mit den Stimmen der CSU und FDP gebilligt wurde, ist nicht das alleinige Verdienst der CSU, obwohl sich diese nun daraus nicht ungeschickt den Beweis eines „fortschrittlichen Konservatismus“ ableitet. Die ersten Anstöße gehen vielmehr auf spektakuläre Seeuferbesetzungen des SDS Ende der sechziger Jahre zurück. Aber auch die SPD, die sich bei der jetzigen Abstimmung der Stimme enthielt, sowie der rührige „Bund Naturschutz in Bayern“ haben durch eigene Entwürfe kräftig Entwicklungshilfe geleistet. Das jetzige Naturschutzgesetz ist ein weithin gelungener Kompromiß dieser verschiedenen Einflüsse. Der Versitzende des Bundes Naturschutz in Bayern meint, daß das Gesetz aus ökologischer Sicht „ein großartiger Wurf“ sei.

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