Allah und das liebe Geld

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Will eine Bank gläubige Muslime als Kunden, muss sie auf Islamic Banking setzen.

Sie essen kein Schweinefleisch. Sie trinken keinen Alkohol. Die Frauen tragen ein Kopftuch, die Männer rasieren sich nicht den Bart. Gläubige Muslime folgen den jahrhundertealten Regeln des Korans. Doch nicht alles ist heutzutage so einfach umsetzbar. Vor allem in der Welt des Geldes.

Rund 400.000 Muslime leben laut Volkszählung 2001 in Österreich. Würden sie alle so leben, wie der Koran es ihnen vorschreibt, dürfte kein einziger von ihnen ein Bankkonto besitzen. Denn das heilige Buch des Islams verbietet, Zinsen einzutreiben oder zu lukrieren, risikoreich zu spekulieren oder in verbotene Waren - wie Alkohol, Drogen, Waffen oder Pornografie - zu investieren.

Schariakonforme Produkte

Das Zauberwort der letzten Monate heißt Islamic Banking. Vor allem im arabischen Raum bauen findige Bankexperten seit Ende der Sechziger westliche Finanzierungsformen so nach, dass sie den Regeln der Scharia entsprechen. Statt zum Beispiel einen Kredit für ein Auto zu vergeben, kauft die Bank das Fahrzeug und lässt es sich in Raten für einen höheren Preis abkaufen. So muss sie keine Zinsen verlangen, kann aber trotzdem Geld verdienen.

Mittlerweile gibt es islamkonforme Girokonten, Anlagefonds, Autokredite - sogar schariatreue Kreditkarten entwickeln die finanzkundigen Schariagelehrten der großen islamischen Banken am Persischen Golf. Für österreichische Muslime gibt es von alldem nichts. Dabei wären sie eine attraktive Zielgruppe: Etwas mehr als ein Drittel der österreichischen Muslime sind unter 20 Jahre alt, ihre Sparquote liegt laut einer Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens A. T. Kearney mit 20 Prozent wesentlich höher als das eines durchschnittlichen Österreichers. Das durchschnittliche Einkommen eines muslimischen Haushalts ist zwar noch um rund 5000 Euro im Jahr geringer als der gesamtösterreichische Durchschnitt. Doch die Migranten zweiter und dritter Generation steigen langsam in die konsumfreudige Mittelschicht auf - und halten trotzdem an religiösen Werten fest. "Das Zinsverbot gehört sicherlich zu den Regeln, die Muslime wegen ihres sozialen Umfelds einhalten würden", sagt Mouhanad Khorchide, Islamwissenschafter am Institut für islamische Religionspädagogik in Wien: "Das gehört zum Volksislam, wie es zum Volksislam gehört, ein Kopftuch zu tragen - auch, wenn man vielleicht gar nicht so religiös ist."

Meist nur Großkunden

In Österreich ist die Raiffeisen Zentral Bank (RZB) das einzige Finanzinstitut, das derzeit islamische Bankprodukte anbietet. Allerdings nur für Großkunden, die fast ausnahmslos aus dem Mittleren Osten, Nordafrika oder Südostasien kommen. "Vor allem in der ölreichen Golfregion haben viele islamische Banken das Problem, ihr Geld schariakonform anzulegen", sagt der gebürtige Syrer Tarek Mourad, der für die RZB von Marokko bis nach Dubai reist, um die Bankkunden zu betreuen: "Deswegen verfügen diese Banken meist über sehr hohe Liquiditäten, die sie nicht los werden." Mit ein Grund, warum sich die Erste Bank in den Markt der islamkonformen Finanzprodukte wagt. "Die Nachfrage ist sehr hoch", sagt Dieter Kerschbaum, Pressesprecher der Erste-Bank-Fondsgesellschaft sparinvest. Noch vor Jahresende will man deshalb einen sogenannten "sukuk", einen schariagetreuen Fonds herausgeben. Kleine Banken wie die in Wien vertretene Europe Arab Bank visieren bereits Privatkunden an. "In den nächsten Monaten könnte es schon ein islamisches Konto bei uns geben", sagt Masoud al Ardah, zuständig für das Private Banking der Europe Arab Bank: "Das hängt allerdings von unserer Zentrale in London ab."

Eines der größten Probleme im islamischen Bankgeschäft ist nach wie vor, neue Produkte zu entwickeln. "Es gibt zu wenige Scharia-Gelehrte, die sich auch in der Finanzwelt auskennen", sagt RZB-Experte Mourad. Dieselben rund 30 Gelehrten sitzen in den beratenden Gremien der wichtigsten 400 islamischen Banken. 16 Jahre Islamstudium und eine rund drei Jahre dauernde wirtschaftliche Ausbildung sind die Voraussetzung, um für einen solchen Beraterjob qualifiziert zu sein.

Die komplexe Materie schreckt ab. Bei der Bank-Austria-Creditanstalt (BA-CA) plant man daher noch nicht mit dem Zukunftsmarkt der muslimischen Gläubigen. "Die Plan- und Anlaufwege für solche Produkte sind sehr lang. Man müsste zum Beispiel die gesamten Computersysteme umstellen", sagt Pressesprecher Thomas Kiesenhofer. Derzeit vermittelt man lieber die Produkte befreundeter arabischer Banken an internationale Geschäftsleute in Wien, die bei der BA-CA nach islamkonformen Anlageformen suchen. Die Deniz Bank, die sich vorwiegend auf türkische Kunden spezialisiert hat, will ebenso wenig auf den Islamic Banking Zug aufspringen wie die türkische Vakif Bank. Sie arbeiten - wie gewöhnliche westliche Banken auch - mit Zinsen, um mit ihren Bankkonten oder Krediten Geld zu verdienen. Islamwissenschafter Khorchide zweifelt daran, ob die ertüftelten Kreditformen im schariakonformen Bankgeschäft überhaupt sinnvoll sind: "Es gibt Kritiker, die sagen, dass Islamic Banking nur ein Trick ist und man versteckt Zinsen einhebt."

In der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ) sieht man die Lage daher pragmatisch. "Es fragen immer wieder Leute an, wie sie damit umzugehen haben, wenn sie Zinsen von ihrem Bankkonto beziehen", sagt IGGiÖ-Sprecherin Carla Amina Baghajati: "Wir haben diese Frage dann intern diskutiert und gesagt, dass sie sich keine Sorgen machen müssen. Der Gewinn durch Zinsen gleicht sich durch die Inflation ohnehin wieder aus."

Der Autor ist freier Journalist.

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