Streit ums (Wohn-)Geld

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Die Mietkosten in Österreich sind derzeit Gegenstand heftiger Diskussionen. Dabei scheint jeder Beteiligte genau zu wissen, was Wohnen kostet - allerdings unterscheiden sich die Zahlen erheblich.

Fünf Quadratmeter misst die Wohnung in Londons trendigstem Bezirk Nottingham. Fünf Quadratmeter, auf denen eine Küchenzeile, eine Duschkabine, eine Kleiderkammer und darüber ein Hochbett Platz haben. Offenbar genügt dieses spärliche Angebot - die Kemenate wurde jüngst zum Preis von umgerechnet 756 Euro monatlich vermietet.

Hierzulande mag ein Quadratmeter Mietwohnung zwar nicht 151 Euro kosten. Ob Wohnen dennoch zu teuer ist und vor allem, wie sehr sich die Kosten in den vergangenen Jahren verändert haben, ist derzeit trotzdem Gegenstand heftiger Diskussionen. Ausgelöst wurde die Debatte durch eine Erhebung der Statistik Austria: Der Verbraucherpreisindex weist einen Anstieg der Wohnkosten in den vergangenen zehn Jahren um satte 41,4 Prozent auf. Allein im Jahr 2004 war Wohnen um 10,1 Prozent teurer als noch im Jahr davor. Nach Angaben des Institutes ist ein Teil dieser Teuerung auf eine Änderung des Erhebungsverfahrens zurückzuführen. So wurde das Sampel komplett ausgewechselt, die Interviewmethode und einige Fragestellungen geändert. Allerdings heißt es in einer Aussendung: Der "Anstieg ist zu einem erheblichen Teil durch die Umstellung der Erhebung {...} bedingt, hat aber dennoch real stattgefunden, wenngleich nicht nur im Übergang von 2003 auf 2004, sondern zum Teil schon zu einem früheren Zeitpunkt", nur seien eben diese Steigerungen aufgrund des Studiendesigns nicht rechtzeitig erfasst worden. Der jetzt festgestellte Preissprung kompensiere die vorangegangene Unterschätzung. Die Stichprobenfehler bei der neuen Erhebung lägen laut Statistik Austria mit plus/minus zwei Prozent im üblichen Bereich, Wohnkosten stiegen in etwa doppelt so schnell wie die Inflationsrate.

Zahlen-Verwirrung

Eine Studie der Forschungsgesellschaft für Wohnen, Bauen und Planen (fgw) im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hatte dagegen ergeben, dass diese ausufernde Steigerung ausschließlich auf die geänderte Erhebungsmethode zurückzuführen sei. Die tatsächliche Teuerung bewege sich im üblichen, über die Jahre hinweg festgestellten moderaten Bereich und sei teilweise sogar geringer als die Inflation. Daher seien die Zahlen der Statistik Austria nichts als "Horrormeldungen", die Wohnkosten vielmehr "kein Preistreiber, sondern ein Preisdrücker im Verbraucherpreisindex", unkt övp-Wohnbausprecher Wolfgang Großruck. Also alles im grünen Bereich. Zudem läge der tatsächlich gezahlte Wohnaufwand in einigen Bundesländern sogar unter dem gesetzlich normierten Richtwert - Wohnen koste damit weniger als vorgesehen. Nach dem Richtwertsystem richtet sich die Miete im wesentlichen bei Wohnungen bis zu einer Größe von 130 Quadratmetern, die vor 1945 errichtet wurden und privat vermietet werden. Das trifft derzeit auf rund 400.000 Wohnungen zu. Großruck betont, dass sich das Richtwertsystem bestens bewährt habe und daher auch im geplanten Mietrechtsgesetz, das im Jänner 2006 in Kraft treten soll, beibehalten wird.

Zuschlag: fast 100 Prozent

Die Richtwerte wurden 1994 länderweise festgelegt und werden seither jährlich angepasst. Sie liegen netto zwischen 4,11 Euro im Burgenland und 6,91 Euro in Vorarlberg. Allerdings werden, je nach Zustand, Ausstattung und Lage der zu vermietenden Wohnung noch Zu- oder Abschläge berechnet. Beispielsweise bringt ein Lift im Haus einen Zuschlag, ebenso eine besonders gute Wohngegend. Im Gesetz sind jedoch weder Grenzen für die Zuschläge festgelegt, noch muss dem Mieter mitgeteilt werden, wofür sie verlangt werden. Trotz fehlender Transparenz des Richtwertsystems sieht Großruck keinen Änderungsbedarf: "Der Richtwert hat sich auch inklusive Zuschläge eingependelt". So liege beispielsweise in Wien die tatsächlich gezahlte Miete im Durchschnitt nur 97 Cent über dem Richtwert von 4,50 Euro pro Quadratmeter.

Völlig anders sieht das dagegen die Arbeiterkammer (ak) Wien. Denn eine Untersuchung der Technischen Universität Wien hat ergeben, dass die durchschnittliche Miete für Richtwert-Wohnungen der Kategorie A (also mindestens 30 Quadratmeter groß und wenigstens ein Zimmer, Küche, Vorraum, wc, Dusche und Zentralheizung) in Wien 8,77 Euro ausmacht. "Damit sind die Zuschläge zum gesetzlich fixierten Richtwert praktisch genauso hoch wie der Richtwert selbst", beklagt Franz Köppl von der ak-Abteilung für Konsumentenpolitik, der eine Änderung des Richtwertsystems im künftigen Mietrecht schmerzlich vermisst "Wir fordern, dass die Zuschläge nicht mehr als 25 Prozent des Richtwertes ausmachen dürfen." Derzeit müsse eine Familie 35 bis 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Miete und Hausbetriebskosten (also Wasser, Abwasser und Müllabfuhr) aufwenden, wenn sie in Wien eine Wohnung moderater Größe der Kategorie A mietet. "Das muss man sich erst einmal leisten können", bemerkt Köppl.

Unbefristete Verträge ...

Im Gegensatz zum Richtwertsystem stößt dagegen ein Teil der Mietrechtsreform bei der Arbeiterkammer nicht auf Ablehnung: Ab 2006 soll ein befristeter Mietvertrag nicht automatisch sofort in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt werden, wenn der Vermieter die Frist für die Vertragskündigung vergisst. Großruck erzählt von einem Fall, in dem eine Wohnung auf drei Jahre befristet war und der Mieter den Vermieter bat, ihm noch ein oder zwei Monate Zeit zu geben, bevor er den Vertrag kündigt. "Durch die Gutmütigkeit des Vermieters ist der Vertrag nun unbefristet, und der Vermieter schaut durch die Finger, das kann ja nicht das Ziel des Mietrechts sein", erklärt der Wohnbausprecher. Künftig soll der Vermieter noch drei Jahre Zeit haben, um die Kündigung nachzuholen, bevor der Vertrag unbefristet wird

... und befristeter Wildwuchs

Dem stimmt auch die Arbeiterkammer grundsätzlich zu. "Diese automatische Verlängerung war ungerecht für die Vermieter." Allerdings ist dennoch längst nicht alles eitel Wonne: "Es gibt einen Wildwuchs bei den Befristungen. Mittlerweile ist schon ein Viertel der Verträge im Altbausegment befristet." Köppl verlangt, dass die Möglichkeit befristeter Mietverhältnisse für gewerbliche Vermieter abgeschafft werde. Und noch eine Entlastung fordert er: Die Betriebskosten, die die Mieter zu tragen haben, sollten gesenkt werden. Beispielsweise um die Grundsteuer, die der Vermieter auf die Mieter überwälzen kann. "Es ist nicht einzusehen, warum der Mieter eine Steuer zahlt, die eigentlich der Vermieter für sein Vermögen zu zahlen hätte." Auch dieses Anliegen findet im neuen Mietrecht freilich keine Entsprechung.

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