Objekte ohne Worte als erschütternde Erinnerung

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Das Memorial, das als Mahnmal für die Tausenden Opfer der Attentate vom 11. September 2001 auf dem "Ground Zero" in New York errichtet wurde, hat einen besonderen Symbolcharakter. 2004 wurde das norwegische Architekturbüro Snøhetta mit dem Entwurf des einzigen oberirdischen Gebäudes auf der Erinnerungsstätte beauftragt. In den darauffolgenden Jahren wurde das Programm mehrmals geändert, immerhin blieb es wenigstens bei einer Kulturstätte. Am 15. Mai 2014,13 Jahre nach dem Anschlag, wurde das Bauwerk feierlich von Präsident Obama eröffnet.

Mittler zwischen Hell und Dunkel

Der Entwurf der Architekten reagiert gelassen und behutsam auf die Ebene des Gedenkplatzes. Der Pavillon markiert den Eingang zum unterirdischen Museum unter dem Platz selbst. Das Museum wurde von dem in New York ansässigen Architekturbüro Davis Brody Bond gestaltet. Snøhettas kristallähnliches Bauwerk ist das einzige an der Oberfläche sichtbare Zeichen. Es befindet sich in der Mitte zwischen den beiden, von Architekt Michael Arad und dem Landschaftsarchitekten Peter Walker, errichteten Gedächtnisbrunnen. Als "Brücke zwischen zwei Welten" stellt der Glaskörper, mit seiner eher niedrigen, horizontal gerichteten, aber doch sich leicht aufrichtenden Form, den Eingang in die Unterwelt des unterirdischen Ausstellungsbereiches dar. Ein Mittler zwischen Hell und Dunkel, zwischen individueller und kollektiver Erfahrung, zwischen Leben und Tod. Trotzdem schafft die Architektur einen Bereich, der es dem Besucher ermöglicht, den Ort und die Stadt in einem umfassenderen Sinn zu begreifen. Das Volumen des Körpers und sein Design vermitteln zwischen den Skyscrapern im Hintergrund und der völlig ebenen Fläche der Gedenkstätte.

Die Außenhaut stellt eine Mischung aus Transparenz, Reflexion, und gestreifter Oberfläche dar - sie erregt durch ihre visuelle Gestalt die Aufmerksamkeit der Passanten und führt dazu, dass sie durch die Glasscheiben ins Innere blicken wollen. Gleichzeitig spiegelt sie die Umgebung. Gelingt dem Interessierten doch ein Blick ins Innere, sieht er ein Paar Stahlsäulen, verrostet und beschädigt -Überreste eines der zerstörten Twin Tower. Obwohl sie nicht mehr am Originalort stehen, sind sie doch -durch ihre Ästhetik - eine zwar stumme, aber erschütternde Geste.

Erinnerungsstücke

Einmal ins Innere gelangt, überblickt der Besucher das Atrium und beginnt die physische und mentale Transition in die Welt unter dem Erdboden -den Weg hinunter in das 9/11-Museum: Fahrräder mit staubbedeckten Sätteln samt dem dazugehörigen Fahrradständer, Schuhe, Hüte, Uniformen, ein zerstörtes Feuerwehrauto, ein Flugzeugfenster, ein Ehering -Objekte ohne Worte. Manch ein New Yorker empfand die Zurschaustellung dieser oft intimen Gegenstände wie einen Schlag in die Magengrube, zu sehr sind die Dinge mit Emotionen verbunden.

Das Bauwerk selbst entspricht den Richtlinien der Nachhaltigkeit: Optimierter, minimaler Energieverbrauch, Tageslicht von oben, Grauwasserwiederverwendung, schadstofffreie und aus lokalen Quellen stammende Materialien sind selbstverständlich und führen zu einer angestrebten LEED-Zertifizierung in Gold. Auch die Wahl der Materialien entspricht ganz dem eher kontemplativen, besinnlichen Inhalt der Architektur. Die Planer verwendeten für die Fußböden im Innenraum Esche Stabparkett, für Wände und Decken ebenfalls Paneele aus Esche, ferner polierten Beton und Kunstharz an den Wänden. Außen kamen rostfreier Stahl und Isolierglas zum Einsatz.

Craig Dykers, einer der Gründer von Snøhetta, versucht die Intentionen des Baus mit folgenden Worten zu vermitteln: "Unser Wunsch war, den Besucher einen Ort vorfinden zu lassen, der die natürliche Grenze, aber auch eine Vermittlung zwischen dem Alltagsleben der Stadt und der einzigartigen spirituellen Qualität des Memorials, darstellt. Es ist wichtig, dass die Menschen sich physisch mit dem Gebäude auseinandersetzen und begreifen, dass es ihnen einen Zugang zu dem Ort des Museums schafft und zu anderen Gedanken über ihre Erfahrungen verhilft."

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