Landhausministerium und Hohe Schule

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Ausstellungen im Wien-Museum und auf der Schallaburg vergegenwärtigen die Jahrzehnte, in denen Niederösterreich und Wien mehrheitlich protestantisch waren: Dass Österreich wieder katholisch wurde, setzten die Habsburger auch mit Gewalt und staatlicher Repression durch.

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Ausstellungen im Wien-Museum und auf der Schallaburg vergegenwärtigen die Jahrzehnte, in denen Niederösterreich und Wien mehrheitlich protestantisch waren: Dass Österreich wieder katholisch wurde, setzten die Habsburger auch mit Gewalt und staatlicher Repression durch.

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Dem großen Reformationsjubiläum widmen sich auch zwei Ausstellungen: Das Wien-Museum zeigt die Schau "Brennen für den Glauben -Wien nach Luther". Ein halbes Jahrhundert lang war die Stadt bis zu 70 Prozent protestantisch: Nach dem Anschlag der 95 Thesen durch Martin Luther verbreitete sich die neue Lehre wie ein Lauffeuer, das auch vor den Toren Wiens nicht haltmachte.

Als Wien protestantisch war

Der Großteil der Bevölkerung war also lutherisch, desgleichen der niederösterreichische Adel, in dessen Schlössern vor den Toren Wien der protestantische Kultus dominierte. Erst nach und nach erwehrten sich die habsburgischen Landesherren der in ihren Augen religiösen Anarchie -und drehten mit Zwangsmaßnahmen die Gesinnung ihrer Untertanen um, wobei keineswegs alle Habsburger religionspolitische Hardliner waren - etwa Maximilian II., der 1564 bis 1576 als Kaiser regierte.

Doch mit dem Amtsantritt seines Sohns Rudolf II. nahm die Gegenreformation -auch mit Gewalt und blutiger Unterdrückung -ihren Lauf. Mit der Schlacht am Weißen Berg in Prag 1620, die Kaiser Ferdinand II. gewann, war es mit der protestantischen Freiheit auch in Österreich endgültig vorbei.

Die Schau im Wien-Museum stellt protestantische Lebensrealitäten dar. Man erfährt beispielsweise vom "Landhausministerium": Im niederösterreichischen Landhaus in der Herrengasse waren ab 1574 im Sitzungssaal ganz offiziell evangelische Gottesdienste erlaubt. Allerdings währte diese Freiheit nur einige Jahre. Nach der Aufhebung der Erlaubnis, Gottesdienste innerhalb der Mauern zu feiern, strömte das Volk allsonntäglich in die Kirchen der Vorstädte oder auf Adelssitze auf dem Land, wo der evangelische Kultus noch Jahre praktiziert werden konnte.

Dies alles stellt die Schau in Wien anhand von Dokumenten - etwa einem Erstdruck der 95 Thesen, der ältesten Abschrift des Augsburger Bekenntnisses 1530 sowie dem Original des Augsburger Religionsfriedens von 1555 -dar. Die informative Ausstellung, die vom evangelischen Kirchenhistoriker Rudolf Leeb gemeinsam mit Karl Vocelka und Walter Öhlinger kuratiert wurde, ist noch bis 14. Mai zu sehen. Der im Residenz Verlag erschienene 420-seitige Katalog vergegenwärtigt die Darstellungen der Schau darüber hinaus.

Evangelische Reformpädagogik

Länger -bis 5. November -ist auf der Schallaburg die Sonderausstellung "Freyheit durch Bildung -500 Jahre Reformation" zu besuchen. Die zusätzlich zur laufenden Islam-Ausstellung gezeigte Schau erinnert an Hans-Wilhelm von Losenstein (1546-1601), der die Schallaburg zu einem Renaissanceschloss umbaute. Der Protestant wurde aber weit über die unmittelbare Region durch die Gründung der Hohen Schule im zur Herrschaft gehörigen Loosdorf bekannt. Bis 1627 bestand dieses protestantische Gymnasium, dessen Einzugsgebiet die habsburgischen Kernlande waren, weil durch die Gegenreformation sukzessive immer weniger evangelische Bildungsstätten möglich waren. Das beschreibt und stellt die Sonderausstellung dar, die besonders, aber nicht nur für Schulen und junge Besucher konzipiert ist.

Das Besondere an der Hohen Schule von Loosdorf, dessen Gebäude in der nahen Marktgemeinde heute noch zu sehen ist, war das für diese Zeit revolutionäre pädagogische Konzept: Ein Curriculum, das die damals bekannten Wissensgebiete ausgewogen berücksichtigte, so etwa individuelle Förderung und Rücksichtnahme auf die jeweilige persönliche Entwicklung der Schüler, lässt diese Schule überraschend modern erscheinen. Dazu kommt der Versuch, die körperliche Gewalt, die in den Bildungseinrichtungen der Zeit gang und gäbe war, möglichst sparsam - als letztes Mittel-einzusetzen.

Die evangelische Freiheit, macht diese Ausstellung klar, hat nicht nur mit Religion, sondern mit der Lebensgestaltung überhaupt zu tun. Es verwundert nicht, dass das "reformpädagogische" Konzept der katholischen Herrschaft, die sich von so viel Freiheit bedroht wurde, ein Dorn im Auge war. Die Sonderausstellung "Freyheit durch Bildung" auf der Schallaburg setzt dieser vergessenen Bildungsinitiative ein notwendiges Denkmal...

Brennen für den Glauben bis 14.5. Wien-Museum. Di -So, 10 -18 Uhr www.wienmuseum.at

Freyheit durch Bildung bis 5.11. Schallaburg. Mo -Fr 9 bis 17, Sa, So bis 18 Uhr schallaburg.at

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