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Die Zeugen wurden beseitigt

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„Die christlichen Missionare haben unter der Bevölkerung des Sudans Haß, Aufruhr, Unzufriedenheit und Feindseligkeiten verbreitet. Die Tätigkeit der ausländischen Missionare in den drei südlichen Provinzen des Sudans hat die Einheit des Landes, seinen inneren Frieden und seine innere Sicherheit ernstlich gefährdet. Es entstand darum die dringende Notwendigkeit, zur Wiederherstellung von Gesetz und Ordnung energische Änderungsmaßnahmen zu ergreifen; die Regierung der Republik Sudan hat infolgedessen die Rückführung aller ausländischen Missionare beschlossen, die in den Südprovinzen des Landes tätig waren.“

Mit dieser von der sudanesischen Botschaft in Bonn am 20. März 1964 veröffentlichten Erklärung wurde versucht, die Vorgangsweise der Regierung in Khartum vor der Weltöffentlichkeit, die durch die Ausweisung hunderter christlicher Priester aus dem Sudan auf die alarmierenden Zustände in diesem afrikanischen Land aufmerksam wurde, zu rechtfertigen.

Die Welt horchte auf, als in den letzten Monaten mehr als 300 christliche Missionare den Sudan auf Anweisung der Regierung in Khartum verlassen mußten. Diese aufsehenerregende Maßnahme stellte jedoch nur den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung dar, die schon mit der Erlangung der Unabhängigkeit des Sudans im Jahr 1956 begann. Wenige Monate nachdem die ehemalige Kolonie selbständig wurde, eröffnete die sudanesische Presse eine regelrechte Kampagne gegen das Christentum und gegen die katholische Kirche. Die Zeiten der „imperialistischen westlichen Kultur und des Christentums“ seien vorbei, schrieben die Zeitungen des Landes. Die Kirche wurde als „Krebsschaden“ und die Missionare wurden als „giftige Schlangen“ bezeichnet. Das Ergebnis dieser Kampagne waren mehrere Fälle von Kirchenschändungen, gegen welche die Polizei' flicht einschritt.

Eine der ersten Verfügungen der neuen Regierung in Khartum war ein totales Einreiseverbot für christliche Missionare. Bereits im Jahr

1957 wurden die christlichen Schulen des Landes enteignet, bis zum Jahr

1958 wurden 350 Missionsschulen mit 31.000 Schülern verstaatlicht, wobei die Regierung schwere Einbußen an Lehrpersonal in Kauf nahm.

Wurden diese Maßnahmen damit begründet, der junge afrikanische Staat wolle sich von ausländischem Einfluß frei machen, so waren weitere, kurz darauf folgende gegen die Christen gerichtete Verordnungen bereits ernste Verstöße gegen die Religionsfreiheit. So wurde von den Behörden verfügt, daß für jede einzelne Taufe eine Bewilligung von den Polizeiorganen einzuholen sei. Den christlichen Glaubensgemeinschaften wurde die Errichtung kirchlicher Gebäude untersagt. Den Priestern wurde nur mehr gestattet, den Gottesdienst zu feiern; das Erteilen von Religionsunterricht in den Schulen, Bekehrungen und das Besuchen der Christen in den weitverstreuten Dörfern wurde unter Strafe gestellt. Bei Krankenbesuchen wurden die Priester von Polizisten in Uniform begleitet.

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