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Franco strafft Zügel

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Vor fünf Jahren begann mit dem spanischen Fressegesetz eine Periode der inneren Liberalisierung, deren Fortsetzung man vor drei Jahren durch den Einzug der „Familienabgeordneten“, erstmalig im Begime, direkt gewählte Volksvertreter also, sah. Von der im Oktober in die Begierung berufenen neuen Equipe, die den Europäismus als Leitmotiv gewählt hat, erwartete man eine weitere Öffnung des Regimes. In den letzten Wochen aber sind in Spanien Symptome aufgetreten, die das vorläufige Ende der Liberalisierungsperiode bedeuten.

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Vor fünf Jahren begann mit dem spanischen Fressegesetz eine Periode der inneren Liberalisierung, deren Fortsetzung man vor drei Jahren durch den Einzug der „Familienabgeordneten“, erstmalig im Begime, direkt gewählte Volksvertreter also, sah. Von der im Oktober in die Begierung berufenen neuen Equipe, die den Europäismus als Leitmotiv gewählt hat, erwartete man eine weitere Öffnung des Regimes. In den letzten Wochen aber sind in Spanien Symptome aufgetreten, die das vorläufige Ende der Liberalisierungsperiode bedeuten.

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Anfang April erschien in Spaniens größter Tageszeitung, dem Madrider monarchistischen „ABC“, ein ganzseitiger polemischer Artikel, gezeichnet mir dem Pseudonym „Gines de Buitrago“, in dem das „demoliberale System der unorganischen Demokratie“ hart angefaßt und den Spaniern an Hand einer Reihe historischer Beispiele nahegelegt wurde, daß das jetzige System das Heil für sie bedeute. Mehr noch: In der Aufzählung dieser Beispiele aus der demoliberalen Epoche Spaniens werden als einzige „Oasen“ in dem Wirrwarr von 109 Regierungen, acht Regimewechseln, drei Entthronungen, vier Königsattentaten und drei Bürgerkriegen die Diktaturen von Narvaez und Primo de Rivera dargestellt, in denen Ordnung und Prosperität herrschten ... Wer verbarg sich nun hinter „Gines de Buitrago“? Das Geheimnis war verhältnismäßig einfach zu lüften: Ein Abschnitt des Artikels, der weder in den Rahmen des „ABC“ paßte noch aus der Feder eines Berufsjournalisten zu stammen schien, aber in einem großen Teil der spanischen Tagespresse reproduziert wurde, stimmte wortwörtlich mit der Intervention Admiral Carrero Blancos in der Parlarnentsdebatte vom 26. Juni 1967 über den Gesetzentwurf zur Familienrepräsantie-rung im Parlament überein. Selbstverständlich ist der Artikel des Admirals, der sich in seiner Eigenschaft als Regierungsvizepräsident und damit Stellvertreter Francos den Ruf eines eisernen Kanzlers erworben hat, mehr als die Antwort auf den — ebenfalls im „ABC“ erschienenen — Beitrag „Der spanische Weg zur Demokratie“ des ehemaligen spanischen Botschafters und Freundes Dan Juans von Bourbon, des Grafen von Motrico. Er ist vielmehr das deutliche Haltesignal für alle, die mit einer Angleichung des Regimes an Demokratien rechneten. Film und Fernsehen, die der staatlichen Zensur unterworfen sind, haben seit einigen Monaten das Anziehen der Regimezügel deutlich gemerkt, aber auch die Presse, die nur einer freiwilligen Vorkontrolle unterliegt, wird davon betroffen. Allein seit Jänner wurden mehr als ein halbes Dutzend Verfahren gegen Zeitungsdirektoren eingeleitet, eine Zeitschrift und zwei Bücher beschlagnahmt.

Das neue Erziehungsgesetz, das derzeit im spanischen Parlament mit Vehemenz, aber auch mit reichlicher Mühsal debattiert wird — in einer Woche wurden nur vier Artikel verabschiedet —, und das den Spaniern als modernste soziale Errungenschaft die schulgeldfreie Grundbildung garantieren soll, gab Anlaß zu einer Intervention des spanischen Infor-mations- und Tourismusministers Sdnchez Bella, die als Quintessenz der heutigen Regimerichtung angesehen werden dürfte. „Ich glaube“, sagte der Minister, ,4aß es übermäßige politische Freiheiten gibt und eim Übermaß an Pluralismus...“ Die Antwort des Familienabgeordneten für die Baskenprovinz Gui-püzcoa, Escudero Rueda, daß „es nicht nur kein Übermaß an politischen Freiheiten gibt, sondern daß manchmal die elementarsten politischen Freiheiten fehlen“, wurde vom Parlamentspräsidenten als „sehr schwerwiegend“ protokolliert.

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