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"Sebastian-Kurz-Bilder erzählen, dass er jung, dynamisch, anerkannt ist. Gleichzeitig ist er bescheiden (Economy-Class) und fleißig (er arbeitet, ist ständig im Gespräch mit MitarbeiterInnen)."

Obwohl die Inszenierung und das Ergebnis des Flüchtlings-Gipfels von Brüssel deutlich scheiterten: "Message control" durch die Politik gilt derzeit als die Zauberformel in den Kommunikationsabteilungen der Spitzenpolitiker, auch bei der neuen Bundesregierung unter Sebastian Kurz. Die Wiener Politikwissenschaftlerin Karin Liebhart setzt sich mit dieser neuen Art der Inszenesetzung auseinander. Die FURCHE hat nachgefragt.

DIE FURCHE: Facebook, Twitter, Instagram - politische Akteure fluten das World Wide Web regelrecht mit Bildern von sich. Dieses Verhalten erinnert eher an Hollywood-Stars, als an einen offiziellen Amtsträger. Was bezwecken Politiker eigentlich damit?

Karin Liebhart: Politik hat immer auch eine visuelle Dimension. PolitikerInnen nutzen Bilder, die sie auf sozialen Medien posten, um politische Themen, Arbeitsprozesse und ihr Amtsverständnis sichtbar zu machen. Und natürlich auch, um ihr Image zu pflegen.

DIE FURCHE: Was ist dabei der Unterschied zum gesprochenen oder geschriebenen Wort?

Liebhart: Bilder folgen einer anderen Logik, einer assoziativen Logik. Ein Foto kann Imagefacetten vermitteln, die verbal nicht so gut transportierbar sind. Und dieses "Image Management" beschränkt sich nicht auf Wahlkämpfe. Es ist auch in der politischen Alltagskommunikation von Bedeutung. Ein Beispiel zur Veranschaulichung wäre die visuelle Inszenierung des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er zeigt sich auf Bildern als cooler, sportlicher Macho-Typ, der Stärke, Zielorientierung und Ausdauer ausstrahlt.

DIE FURCHE: Und was erzählt uns Bundeskanzler Sebastian Kurz via Bild-Sprache über sich?

Liebhart: Kurz erzählt, dass er jung, dynamisch, international anerkannt und bedeutend ist. Gleichzeitig ist er bescheiden (er fliegt Economy-Class) und fleißig (er arbeitet andauernd, ist ständig im Gespräch mit MitarbeiterInnen). Diese - für sein Image - wünschenswerten Eigenschaften teilen sich auf der Bildebene assoziativ mit. Durch stetige Wiederholung der Motive können sie sich bei seiner Zielgruppe verfestigen.

DIE FURCHE: Was hat sich in puncto visueller Kommunikation bei der jetzigen Regierung im Vergleich zur Großen Koalition unter Christian Kern geändert?

Liebhart: Die Intensität der Kontrolle über die Kommunikationspolitik. Gemeint ist die der Regierung selbst sowie einzelner MinisterInnen. Die Regierung Kurz setzt vermehrt "Handout-Fotos" als wichtiges Element ihrer Kommunikationsstrategie ein. Dabei handelt es sich um Aufnahmen, die von persönlichen Fotografen gemacht und an Medien weitergegeben werden. Eine weitere Strategie ist es, solche Bilder direkt über die diversen Social Media-Kanäle zu verbreiten.

DIE FURCHE: Haben Sie ein konkretes Beispiel für ein imagetaugliches Foto?

Liebhart: Nehmen wir etwa das Foto von Sebastian Kurz nach seinem Opernballbesuch am Würstelstand. Es wurde auf dem persönlichen Instagram-Account des Kanzlers veröffentlicht und von einigen klassischen Medien übernommen. Das Bild vermittelt die Botschaft, der Kanzler sei bescheiden, volksnah und keineswegs abgehoben: Eben noch als oberster Repräsentant der Regierung am Opernball, inmitten von Eliten aus Politik, Ökonomie und Kunst und der High Society, steht Kurz nun dort, wo viele andere ÖsterreicherInnen, insbesondere WienerInnen auch manchmal stehen -am Würstelstand. Und dieser Ort ist sicherlich ein Symbol für Bodenständigkeit.

DIE FURCHE: Hinter allen veröffentlichten Fotos stecken also professionelle Strategen?

Liebhart: Spezielle Social Media-Teams betreuen die persönlichen Accounts von PolitikerInnen. Was wir zu sehen bekommen, ist kaum jemals zufällig oder spontan. Die Auswahlprozesse dienen der Forcierung bestimmter Images oder Imagefacetten. Und diese strategische Kommunikation ist jedenfalls geglückt, wenn klassische Medien das auf dem persönlichen Account gezeigte Bildmaterial übernehmen. Message Control ist in hohem Maß auch die Kontrolle über die Bilder, die verbreitet werden.

DIE FURCHE: Stichwort Internetzeitalter und politische Kommunikation -was hat sich verändert?

Liebhart: Digitale Tools haben vor allem ermöglicht, politische Kommunikation zu erweitern. Auch in Österreich gewinnt "Digital Campaigning" zunehmend an Bedeutung. Dieser Trend ist spätestens seit der Bundespräsidentschaftswahl 2016 bemerkbar: besonders die beiden Stichwahl-Kandidaten haben unterschiedliche digitale Tools und Social Media-Plattformen intensiv für ihre Kampagnen genutzt. Während der Nationalratswahlen 2017 hat sich das dann noch einmal intensiviert. Der strategische Einsatz von Bildern durch politische AkteurInnen ist mittlerweile jedenfalls ein zentraler Aspekt für die Analyse moderner politischer Kommunikation.

DIE FURCHE: Wann wird ein Bild zum politischen Bild?

Liebhart: Prinzipiell kann jedes Bild zu einem politischen Bild werden. Es kommt immer auf die konkrete Verwendung an. Bilder werden durch den Kontext, in dem sie gezeigt werden, politisiert. Bilder sind nicht einfach nur Abbildungen von Wirklichkeit, sondern das Ergebnis kulturell geprägter Darstellungs- und Interpretationsweisen. Ein Beispiel wäre die Geste des Handschlags. Sie zeigt immer mehr, als dass sich zwei PolitikerInnen die Hände geben. Sich in einem politischen Zusammenhang die Hände zu reichen, kann Freundschaft zwischen zwei Staaten symbolisieren oder auch einen Vertrag oder einen Koalitionspakt bekräftigen.

DIE FURCHE: Jedenfalls dürfte die moderne Kommunikationstechnologie der Politik in die Hände spielen

Liebhart: Es stimmt zwar, dass sich politische Kommunikation generell in den vergangenen Jahren verändert hat und bildspezifische Gestaltungsmittel zentral sind. Es wäre aber ein Irrtum, anzunehmen, dass visuelle Darstellung von Politik etwas ganz Neues ist. Die hat es immer gegeben, von den antiken Fest-und Triumphzügen bis zur Inszenierung des französischen Sonnenkönigs zur Zeit des Absolutismus. Um nur zwei Beispiele zu nennen. Politik ist immer auch auf Wahrnehmbarkeit angewiesen.

DIE FURCHE: Instagram und Co. gab es früher trotzdem nicht.

Liebhart: Politisch interessant sind vor allem die vielfältigen neuen Möglichkeiten, die Social Media bieten: PolitikerInnen können direkt mit ihren Zielgruppen kommunizieren. Der journalistische Filter fällt weg. So können Themen und Inhalte unmittelbar präsentiert und bestimmte Gesellschaftsvorstellungen sichtbar gemacht werden.

DIE FURCHE: Gibt es ein Bild, das eine Gesellschaftsvorstellung der österreichischen Regierung sichtbar macht?

Liebhart: Etwa die Bilder, die auf der Facebookseite des Bundeskanzleramts im März im Album "Familienbonus PLUS" gepostet wurden. Gezeigt wird der Typus der traditionellen bürgerlichen Mittelstandsfamilie. Andere Familienformen wie Alleinerziehende oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften werden nicht ins Bild gerückt.

DIE FURCHE: Wenn es um Inszenierungen in der Politik geht, sprechen Wissenschaftler immer wieder von "Storytelling". Was bedeutet das genau?

Liebhart: Vor allem in Wahlkämpfen versuchen KandidatInnen, persönliche mit politischen Erzählungen zu verknüpfen. Das gelingt etwa über die bildliche und textliche Verbindung von Elementen und Schauplätzen der eigenen Biographie mit dem zentralen Narrativ einer Kampagne -oder auch mit bestimmten politischen Themen oder mit erwünschten politischen Eigenschaften. Ein Beispiel dafür wäre Christian Kerns Imagevideo von 2017 "Miteinander kommen wir weiter".

DIE FURCHE: Sie werden ab Herbst für ein Semester in den USA forschen? Was machen Sie dort?

Liebhart: Ich werde an der Universität von Minnesota an einem Projekt arbeiten, in dem es um die Text-und Bildkommunikation neuer rechter Bewegungen und Parteien in Europa geht.

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