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64 Forschergruppen arbeiten

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Otzi. der Mann aus dem Eis, war ein Jahrhundertfund. Zum ersten Mal sahen Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts eine gut konservierte Mumie - nicht das Skelett - eines mit 35 bis 40 Jahren verstorbenen Alpenbewohners aus der L rzeit.

Da allen Verantwortlichen die Notwendigkeit einer umfassenden und möglichst perfekten Erforschung des Gletschermannes und seiner Begleitfunde bewußt war und zudem jedes österreichische Labor schon aus Personalgründen damit überfordert gewesen wäre, wandte sich das Forscherteam von Anfang an an die renommiertesten internationalen Institutionen. Die Kleinfunde übergab man dem Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz zur Restaurierung.

Für jedes Spezialgebiet verpflichtete man zwei oder mehr W issenschaftler. L nd auch diese sollten bei ihrer Arbeit verschiedene Methoden ihres Faches einsetzen, um so eine gegenseitige Kontrolle der Resultate zu gewährleisten.

Zur Zeit arbeiten 64 Wissenschaftlergruppen am Projekt und zwar 31 aus Österreich. 14 aus Deutschland, sieben aus Italien, jeweils zwei aus der Schweiz, den Niederlanden, den USA und England sowie je eine aus Schweden. Dänemark. Kanada und Austra lien. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen Einblick in die Lebensbedingungen in den Alpen etwa 3.370 bis 3.470 Jahre vor Christi Geburt geben.

Der vorliegende Band enthält Abhandlungen über archäologisch-naturwissenschaftliche sowie medizini-sche-naturwissenschaftliche Aspekte. Die erste - geschrieben von den Prähistorikern Andreas Lippert, Kon-rad Spindler, Hans Nothdurfter und Bernardo Bagolini - gilt der Nachgrabung im Tisenjoch von 1992.

Als zweites folgt ein Vorbericht von Alexander Binsteiner vom Römisch-Germanischen Zentralmuseum über Rohstoffuntersuchung der Feuersteingeräte des Eismannes, die in zwei verschiedenen Feuersteinlagerstätten der Nördlichen Kalkalpen abgebaut worden sind.

Von Angela von den Driesch und Joris Peters von der Ludwig-Maximilian-Universität in München gibt es einen Artikel zum Thema „Ausrüstung des Mannes im Eis”. Er ist den Sehnenbündeln aus dem Köcher sowie den Knochenfragmenten von Ötzis Proviant gewidmet, die von einem Steinbock stammen.

Die von Willy Groenman-van-Wasteringe vom Institut für Prae-und Prohistorische Archäologie in Amsterdam durchgeführte Pollen-analyse gibt - weil sich die Pollenkörner an den Haaren der Pelzkleidung befanden - Auskunft über die Gerbetechnik des verwendeten Hirschfells.

Das Kapitel „Die Bekleidung des Eismannes und die Anfänge der Weberei nördlich der Alpen” des Schweizers Josef Wininger gehört mit 70 Sei -ten Umfang neben jenem über die Radiokarbon-Untersuchungen von Ötzi und den Materialien seiner Kleidung zu den längsten des Bandes. Das Resümee: Im Neolithikum bestand die Kleidung primär* aus rauchgegerbten Fellen. Pflanzenfasern wie Ötzis aus Gras geflochtener Überwurf spielten eher eine geringe Rolle. Wollgarn wurde wahrscheinlich erst in der Bronzezeit verwendet.

In die Verantwortung von den Naturwissenschaftlern (Torsten Sjovold, Wolfram Bernhard, Othmar Graber, Karl-Heinz Künzel, Werner Platzer und Hans Unterdorfer) fällt die Arbeit über die an mehreren Körperpartien festgestellten Tätowierungen. Ob diese bislang weitaus ältesten an einem menschlichen Körper beobachteten Tätowierungen in Form von Strichgruppen Spuren einer medizinischen Behandlung - vielleicht eine Art Akupunktur - darstellen oder im Zusammenhang mit kultischen oder schamanischen Ritualen angebracht worden sind, bleibt offen.

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