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Brechtsche Weis'

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Den Bogen ihres Wollens (und Könnens) haben die Friesacher Burghof Spieler unter Arch. Hannes Sandler im 16. Spieljahr weit gespannt, und so zwei Dichter einander gegenübergestellt, wie sie vom Werkstil und der Weltanschauung

her kaum gegensätzlicher zu denken sind: Calderon und Bertolt Brecht. Ihnen war aufgetragen, ein Publikum zu suchen und zu finden. Sie fanden es durch die Leistung der Interpreten, zugleich aber auch durch das Ethos des Spaniers, durch die Zeitnähe des „epischen Dramatikers“ B. B. Aber während dieser nur ein Hüben und Drüben sozialer Gegensätze betont, verteilt Calderon gerecht Licht und Schatten und scheut sich nicht, den Edelmann Alvaro als Lumpen, den Bauern, der zum „Richter von Zalamea“ wird, als aufrechten Mann zu zeichnen; so dient er einer höheren Gerechtigkeit, vor der, weil sie Gottes ist, alle gleich sind.

Schon vor elf Jahren hatte „Der Richter von Zalamea“ auf dem Petersberg seine und seiner Tochter Ehre bis zur Vollstreckung des Urteils vertreten, nun übte er abermals sein Richteramt aus, und man konnte am Unterschied die staunenswerte Entwicklung der Friesacher Laienspieler feststellen. Wieder war es Sandler, der den Pedro Crespo, den Titelträger, gültig auf die Bretter stellte und ihm Würde und Erschütterung, aber auch derben Humor zu geben wußte, der in den Szenen mit seinem fast zum Freund gewordenen Gegenspieler Don Lope, von Robert Mößlacher maßvoll und eindruckstark dargestellt, prächtig zum Tragen kam. Nachtschwarz der Don Alvaro Schuhmeyers, ein heller, natürlicher Juan: Valentin Pagitz, dessen in ihrer Frauenehre gekränkte Schwester Isabel: Burgi Klaura. Köstlich das Don Quichote und Sancho Pansa nachempfundene Paar Don Mendo (Heinz Köppl) und Nufio (Heinz Neunteufel). Verdienter und herzlicher Beifall.

Geschickt wandelte eine Woche später Sandler den Schauplatz der Burghofbühne um: aus Spanien war Finnland mit Sauna und Gelage geworden, und „Herr Puntila und sein Knecht Matti“ trugen hier, jeder auf seine Art, ihre Klassengegensätze aus, die in der Brechtschen Weis' recht deutlich zum Ausdruck kamen. Brecht hat für sein Stück die Erzählungen und den Bühnenentwurf von Hella Wuolijoki benützt, hat mit

seinem starken Sinn für Wirkung die Wortkulissen gestellt und einen Dialog geschaffen, den die Musik nach Motiven von Paul Dessau und die finnischen Volkslieder zu umranken und durchwirken wissen. Als Stationen auf dem Wege von Herr und Knecht ziehen die Szenen vorüber, vom Suff, der Puntila „fast zum Menschen“ macht, bis zur Nüchternheit, in der er „eine arge Landplage“ wird. Als bemerkenswerte Episoden erweisen sich der vierfache Verlobungsabschluß auf Kurgela, die Saunaszene, der trunkene Versuch, Matti zum Schwiegersohn zu bekommen, und der auch optisch zum Höhepunkt gewordene Aufstieg zu dem aus Tischen und Stühlen erbauten Hatelmaberg, auf dessen Gipfel Puntila die tavastländische Hymne singt: „Und die Wellen der lieblichen Roine/Sie küssen den milchweißen Sand!“ Und dann läßt Matti Herr und Posten im Stich, weil's an der anbrechenden neuen Zeit ist.

Hannes Sandlers Temperament erhebt den Puntila zu einer Glanzleistung. Vital, auftrumpfend als Unmensch, fast werbend um Freundschaft, wenn er unter Aquavit gesetzt ist, immer aber im Rahmen, der von Brecht gewünschten Einschränkung, Matti die Gunst des Publikums nicht abwendig zu machen. Dieser findet bei Robert Mößlacher einen erfahrenen Darsteller, bei dem Stolz ebenso spürbar wird, wie der zum Umsturz bereite Revolutionär. Bewußt karikiert die Standesgenossen Puntilas — Köppl (Attache), Schuhmeyer (Advokat), Putz (Richter). Eine profilierte Pun-tila-Tochter stellt Burgi Klaura dar. Bemerkenswert die Schmuggler-Emma (Irene Schuhmeyer), die Tele-phonistin (Uta Bruckmann) und die Köchin Laina von Helene Untergas-ser. Die auf Band gesungenen finnischen Volkslieder machen dem Madrigalchor Ehre. Das Publikum ging mit, fand für Stück und Darstellung stärksten Applaus. Friesach hat seinen Brecht vor dem Wiener Volkstheater gespielt und in Ehren bestanden; entgiftet hat es ihn nicht.

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