7114836-1996_11_18.jpg
Digital In Arbeit

Imtitution mit großer Geschichte

Werbung
Werbung
Werbung

dieFurche: Bevor Sie Leiter des Forum Stadtpark wurden, initiierten Sie das Buchprojekt „Absolut Homer", wie kam es dazu?

Walter Grond: In meinen eigenen literarischen Arbeiten spielt der Begriff der Vielstimmigkeit eine große Rolle. Ich bin vor sieben oder acht Jahren auf die Arbeit eines amerikanischen Neuropsychologen gestoßen, wo der Auftritt der Götter in den griechischen Mythen auf eine Art halluzinatorische Psychose zurückgeführt wird. Das hat mich dazu gebracht, das Konzept der literarischen Vielstimmigkeit einmal real zu denken. Es lag nahe, sich der Homerschen Odyssee zu bemächtigen, weil sie zum einen so etwas wie der Zivilisationsstiftungs-text ist und zum anderen gemeinhin auch der erste Autorentext des Abendlandes genannt wird. Dieser Text war stets von der Diskussion begleitet, ob denn Homer einer oder viele sei. Das beschäftigt bis heute die Literaturwissenschaft.

dieFurche: Wie ist die Auswahl der Autoren erfolgt?

Grond: Ich arbeite seit Mitte der achtziger Jahre als Literaturreferent im Forum Stadtpark. Die Schizophrenie, einerseits zu schreiben und andererseits Literatur zu organisieren, ließ in mir einen bestimmten Literaturbegriffentstehen. Ich habe mir gedacht, daß man daraus einen erweiterten Literaturbegriff entwickeln könnte, in dem Schreiben und Management in eine Art Synthese geraten. Die Erfahrungen aus dem Forum haben mich dazu gebracht, so eine Art Beise- und Schreibunternehmen zu gründen. Eine große Rolle dabei hat das Hubert-Fichte-Symposion gespielt, wo es um ethnographische Probleme in der Literatur ging. Viele der Odyssee-Autoren waren damals Gäste.

dieFurche: Wie war das Projekt angelegt?

Grond: Es sollte ein Erzählparlament entstehen, wo einer eine Gründungsgeschichte erzählt, und es dann von dieser ausgehend, Fraktionen gibt. Im Ruch sind das die verschiedenenText-typen. Es ging um dieses Sich-Gegen-Seitig-Aushalten von diversen Einzelsichten, die immer aufs Ganze gehen.

dieFurche: Gibt es eine Fortsetzung?

Grond: Das ist eine einmalig mögliche Geschichte, die damit zusammenhängt, daß ich mir das Projekt mit derselben Leidenschaft angeeignet habe, wie einen eigenen Text. Ich wollte aber dabei nicht nur den Literaturbetrieb literarisch nützen, sondern das Literarische selbst betrieblich auffassen. Ich wollte zeigen, daß Literatur einen betrieblichen und finanziellen Hintergrund hat.

dieFurche: Sie selbst können als Leiter des Forum Stadtpark auf einen eigenen betrieblichen Hintergrund zurückgreifen. Was planen Sie?

Grond: Wir haben ein sehr mühsames aber sehr erfolgreiches halbes Jahr hinter uns, das wir genützt haben zur inneren Reform und schwersten Selbstbefrägung. Es birgt ja unglaubliche Möglichkeiten in sich, das Forum zu erben, weil es eine großartige Instution mit einer großartigen Geschichte ist. In einer Reihe von Präsentationen, die wir im Lauf des März vor uns haben, soll man die Konturen des Forums sehen. Ich bin davon überzeugt, daß es zu einer viel schnelleren Fluktuation der aktiv im Haus Arbeitenden kommen muß, weil ein Avantgarde-Verein wirklich nur einen Sinn hat, wenn er junge Generationen forciert. In den achtziger Jahren, das betrifft ja nicht nur das Forum, sondern vieles in Österreich, hat man ständig große internationale Einladungen ausgesprochen, was zu einer bestimmten Aushöhlung vor Ort geführt hat.

dieFurche: Wo war das besonders stark zu merken?

Grond: Sicher in der Literatur.

dieFurche: Aber Sie waren doch damals selbst Literaturreferent.

Grond: Ja, ich bin nicht unbeteiligt daran, deswegen rede ich ja von Selbstreflexion. Mich interessiert es nicht, andere zu kritisieren, sonde-n mich selbst unter Zugzwang zu bri i-gen. Die jetzige gesellschaftliche, sd-ziale und politische Krise ist eine riesige Herausforderung, die auch bestimmte Chancen beinhaltet, weil eine Institution wie das Forum die Kunst-Debatte in einen wesentlich sozialeren Rahmen stellt. Man miß Produktion fördern.

dieFurche: Wie kann dies vor sich g i-hen?

Grond: Wir haben einen riesigen Zulauf, die Internet-Szene zieht ins Haus ein. Das Haus ist damit Tag urd Nacht bearbeitet. Der Keller wird au >-gebaut, wo wir jeden Donnerstag Ve r-anstaltungen haben. Das Schaffen einer Infrastruktur zur Arbeitsplatzbeschaffung, das ist der eine Weg, der andere ist, daß wir radikal fragen, w< is ist Öffentlichkeit in der Kunst und interaktive Projekte laufen haben wie die Zeitung „Liqueur".

dieFurche: Welche Schwerpunk e werden dabei gesetzt?

Grond: Ein Schwerpunkt ist, daß es wieder zu einer Verinhaltlichung vo ti Kunst kommt. Wir stehen in Kooperation mit der Stadt Graz, ich nenne das „Hotel Europa". Wir bekommen drei Wohnungen am Schloßberg, die für „Artists in Exile" vergeben weiden. Dabei wird es zu einigen Projefc -ten kommen. Daher bin ich übei-zeugt, daß die Avantgarde-Kunst wie -der in einen sozialen Rahmen gestell t wird. In Grunde soll das Forum eih Künstler-Server werden.

„Absolut Homer" ist im Literaturver\-lag Droschl in Graz erschienen Das Gespräch führte Susanne Zobl

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung