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Moderne Kuns wird al

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ES IS NICH NUR SO, daß wir länger leben — zum Leidwesen der Mal husianis en? —, wir erleben in diesem längeren Leben na urgemäß auch mehr. Abgesehen davon, daß eine einzige Genera ion das Werden und Vergehen eines „ ausendjährigen Reiches“ mi ansehen konn e — sofern sie es überleb e —, ha die heu e durchschni liche Lebenserwar ung von e wa 65 Lebensjahren in Europa den unbezweifelbaren Vor eil, auch das Werden und Vergehen jener ephemeren Erscheinungen zu s udieren, die of als Kuns bezeichne werden, aber nich länger als eine Mode leben. Den s aunenden Augen eines Zei genossen Lorenzos il Magnifico oder Cosimos di Medici muß das Panorama von Malerei und Bildhauerei, das sich ihnen darbo , als rech unbeweglich erschienen sein, sowei es nich durch das Auf re en irgendwelcher Barbaren aus dem Norden mi sel samen Neuerungen oder bizarren Erfindungen beleb wurde. Michelangelo war schließlich vier Jahre lang dami beschäf ig , eine einzige S a ue — den David — zu meißeln und nich genö ig , in einem Jahr eine Kollek ion für die Biennale in Venedig aus dem Boden zu s ampfen und s ilis ische Lücken in seinem Werk nach räglich zu überbrücken.

ZWAR WAR DEM MENSCHEN DER RENAISSANCE, wenn wir der Wissenschaf rauen dürfen, nur eine durchschni liche Lebensspanne von dreißig Jahren gegeben — Küns ler meis ausgenommen, die sich ihre of ers aunliche Zähigkei wahrscheinlich immer schon durch den Umgang mi Kri ikern erwarben —, aber selbs wenn wir ihm unsere so viel größere, mehr als doppel e Zei zumessen, so dürf e sich das Bild, das er von der zei genössischen Kuns gewann, nur unmerklich geänder haben. Die Formen und S ile en wickel en sich, in langsamer innerer Folgerich igkei , und wenn eine so a emraubende Neuerung wie die „divina prospe iva“ auf ra und die Dinge im Raum plö zlich mi geome rischer Kausali ä zusammenhingen und fas mi Händen greifbar zu sein schienen, so konn e man sicher sein, daß das s aunende S ad volk die Werks ä en der Messere Brunelleschi oder Alber i in Massen aufsuch e, und kuns sinnige Pilger aus fernen Landen kamen, um von der unerhör en Neuerung zu profi ieren.

WAS ABER HA EIN HEU IGER ZEI GENOSSE nich schon alles kommen und gehen gesehen! In den noch wenig mehr als 65 Jahren sei dem Beginn unseres Jahrhunder s konn e er Anfang, Höhepunk , Ende und Ausklang von so vielen „Bewegungen“ und „Rich ungen“ in der Malerei allein erleben, daß es ihm als Laien schwerfallen muß, sich für die eine oder andere zu en scheiden, da viele, die als das le z e Wor der Kuns für „unsere Zei “, das „20. Jahrhunder “, in den nich mi goldenen Vorschußlorbeeren sparenden Manifes en auf ra en, wieder verschwanden, bevor sie noch ein le z es Wor gesag ha en. (So auch jene, die sich voraus- schauenderweise berei s un er dem Banner der „Kuns des 21. Jahrhunder s“ vor einigen Jahren in einer Auss ellung versammel en oder im „Salon de Réali ées nouvelles“, die alles andere als die „neuen Wirklichkei en“ geworden sind.) Er konn e erleben, wie der Impressionismus langsam ausklang, sah den Expressionismus aufs eigen und vergehen, den Fu urimus aufflackern und die ungegens ändliche Malerei en s ehen. Mi dieser erleb e er ihr wechselndes Schicksal, muß e bemerken, wie sie nach dem zwei en Wel krieg einen anscheinend siegreichen Aufschwung nahm und schon als die Kuns der Zukunf verkünde wurde, bis sie sich plö zlich in Frak ionen und Gruppen zu spal en begann, die sich hef igs befehde en.

DA GAB ES PLÖ ZLICH JENE, die noch an dem assozia iven Wer der Formen, am Oben und Un en im Bilde fes hiel en — Konserva ive —, und andere, die jeden assozia iven Sinn leugne en und bald den Malvorgang an sich verabsolu ier en und zur „Mys ique“ und zur Mys ifika ion erhoben. Da gab es Übermaler, die nich gemal ha en, was sie übermal en, und Un ermaler, die bei der Un ermalung s ehenblieben, Monochromis en, Polychromis en und achis en. Ma hieu predig e eine Malerei, deren einziger Exeku or, Adep , Hohepries er und Zelebran er allein war, mi den Glaubenssä zen „Geschwindigkei und Konzen ra ion“, die beide es ihm ermöglich en, ein sechs Quadra me er großes Bild in vier Minu en zu „malen“. Sein Zirkusak wurde auf der ganzen Wel un er be räch lichem Nu zen für alle näher Be eilig en herumgereich , und es war vor kurzer Zei erschü ernd, in einer französischen Zei schrif aus der Feder seines S arkri ikers, der ihn eins nich genügend hochloben konn e und mi ihm eine neue Kuns ära einlei e e, zu lesen, daß „Ma hieu schon läns passé sei“. Erschü ernd vor allem auch deswegen, weil dieser Kannibale der Kri ik fas im gleichen A emzug, in dem er nun die „Pop-Ar “ und „Op-Ar “ — die „Volkskuns der S äd e“ und die „Kuns der op ischen Reizmi el“ — anpreis , der Jugend naheleg , hemmungslos zu experimen ieren. Wohl, um in vier, fünf Jahren von ihm ebenso abge an zu werden wie sein eins iger S ar Ma hieu. Dabei is dieser unser Kri iker keineswegs auf dem Laufenden. „Pop,, und „Op“ sind berei s auf dem bes en Weg, abgelös zu werden, und zwar durch einersei s eine Ar von plas ischen Bildern, bei denen eine s ickige, farbige Masse, den Bilderrahmen überschrei end, auch die Umgebung „ges al e “ oder überplas isches Relief besi z , andersei s durch die zahlreichen „kine ischen Objek e“, deren Lich -, Färb- und Lärmspiele Schäffer und inguely eingelei e haben und die nun einen der neues en „Fads“ dars ellen, und schließlich und endlich auch durch aus Neonröhren zusammengese z e Objek e, deren „Farblich spiele“ bei diesen „Neon-Realis en“ Feder und Pinsel erse zen sollen. „Das is lebendige Farbe“, sag Mar ial Raysse, ein französischer Ver re er dieser „Schule“. „Neon drück am genaues en das moderne Leben aus, es is auf der ganzen Wel s andardisier . Man kann dami die Idee der sich bewegenden Farbe projizieren, das heiß eine sensi ive Bewegung ohne Erregung“.

ES HA AUF DER WEL noch keine Dummhei gegeben, die nich durch Wor e begründbar und ver re bar wäre. Aber auch welch eine Lehre für eine Zei , in der „Küns ler“ und „Kri iker“ ihre S ile und Anschauungen wie Hemden wechseln und vergessen, daß Kuns nur ein mühsames und langwieriges Suchen nach der eigenen Wahrhei und nich die Mode für ges ern, heu e oder morgen sein kann.

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