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EIN UNBEKANN ER CALDERON

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Als im Jahre 1682 die neunzehnjährige Maria Josepha von Harrach den Grafen Johann Josef von Kuenberg ehelich e, beglei e en sie in ihr neues Heim — auf das Kiuenburger Schloß in Klein Voschi z, auf dem Weg von Prag über abor nach Wien gelegen — auch ihre Bücher, deren viele wahrscheinlich schon im Besi z ihrer Mu er, Johanna heresie von Harrach, Gebür ige von Lamberg, gewesen waren. Den in eressan es en eil dieser Biblio hek, die die Vorlieben und geis igen In eressen beider Damen, nämlich für religiöse ka holische Mys ik und für das hea er, ge reu widerspiegel , bilde en spanische Bücher. Kein Wunder, Mu er und och er waren, kul urell genommen, ypische „españolizadas“. Beide waren als öch er kaiserlicher Gesand er am Madrider Hof in Madrid erzogen worden, beide verband mi dem spanischen Milieu und Geis nich nur ihr langer Aufen hal in Spanien, sondern auch ihre Zugehörigkei zu Familien, die in der poli ischen Orien ierung des Wiener Hofes jahrzehn elang den Kern der sogenann en „spanischen Par ei“ bilde en. Im Augenblick, da Maria Josepha zur Wel kam, lei e e ihr Großva er mü erlichersei s, Johann Maximilian von Lam-

berg, die Sek ion „Spanische nego ia und correspondez“ am Wiener Hof, und ihr Va er, Ferdinand Bonaven ura von Harrach, bewarb sich bei Kaiser Leopold um den Gesand enpos en in Madrid, wo er bald darauf den Grafen Pö ing ablös e. Seine och er leb e sich in das neue Milieu so vollkommen ein, daß sie sich zei lebens Maria José un erschrieb. Ja selbs ihre Ehe wurde der Ausdruck ihrer geis igen, ' ypisch barocken Verwendung: Ihr Ga e en s amm e auch einem poli isch und kul urell nach Spanien orien ier en Geschlech , seine Mu er, Juanina de Guzmän, war Spanierin.

Un er den Büchern, die Maria José nach Klein Vorschi z mi brach e, war eine Reihe spanischer Manuskrip e und un er diesen wiederum einige Handschrif en von hea ers ücken; alle ragen un en auf dem i elbla die spanische Un erschrif ihrer ers en Besi zerin und Leserin: la condesä de Harrach. Das Manuskrip von 96 Blä ern, das den i el El Gran duque de Gandia führ und ein anonymes Versdrama von 3400 Zeilen en häl , war eines un er ihnen; es wird heu e im Museum des Buches, in Saar, aufbewahr . Maria José war wohl die le z e, die außer dem ex auch den Namen des Au ors kann e. Fas dreihunder Jahre ruh e das Buch auf seinem Pla z in den Regalen der Schloßbiblio hek, ohne daß sein Geheimis jemand anzog. In den dreißiger Jahren unseres Jahrhunder s ließen die Besi zer der Biblio hek ihre Handschrif en schä zen, und unsere Handschrif (damals H 14, je z R 13) wurde auf 30 (!) Kes geschä z .

Das Geheimnis wäre auch wei er Geheimnis geblieben, wenn nich im Jahre 1959 die „Wissenschaf liche Kommission für S udium von Handschrif en in der schechoslowakischen Republik“ — kurz zuvor von der schechoslowakischen Akademie der Wissenschaf en begründe , mi der Aufgabe, al e Handschrif en aus vers aa lich en Schlössern und Klös ern zu s udieren — im Laufe ihrer Arbei en auch nach Klein Voschi z gelang wäre. Die Handschrif , keine große Überraschung versprechend, anonym, has ig und von fünferlei Hand geschrieben, an manchen S ellen schlech leserlich, wurde mir als Mi glied der Kommission und ihrem Romanis en anver rau . Über die Ergebnisse der his orischen und s ilis ischen Analyse, die ich an ihr un ernommen habe, gib mein Vorwor zur Originalausgabe des Dramas Aufschluß, die der Verlag der schechoslowakischen Akademie der Wissenschaf en im Jahre 1963 veröffen lich e. Die Überraschung war nich gering: Es handel e sich um nich s weniger, als um das Drama eines der größ en Drama iker der Wel li era ur.

Daß Calderón ein Drama über den Helden unseres ex es, den Großherzog von Gandia und spä er heiligen Franziskus von Borgia, geschrieben ha e, war bekann : Er selbs führ e im Jahre 1680, kurz vor seinem ode, dieses hema im Verzeichnis seiner Drama ik, das er für den Herzog von Veragua besorg e, an. Aber das Drama is nie gedruck worden, sein ex wurde ein Vier eljahr ausend vergeblich gesuch , das Werk gal als verloren. Daß eine handschrif liche Kopie, wahrscheinlich die einzige auf der Wel , zwar offenbar bald nach der En s ehung des Dramas besorg , gerade in einem kleinen Lands äd chen im eins hussi ischen Mi elböhmen erhal en blieb, is eine glückliche Ironie.

„El Gran duque de Gandia“ s ell zweifellos einen der Höhepunk e von Calderóns dich erischem Schaffen dar. Philosophisch und e hisch is es — auf religiöser Ebene — eine Ar Reprise von des Dich ers größ em Werk, des berühm en „Das Leben ein raum“ aus dem Jahre 1634. Es is das Werk des reifen Dich ers aus seiner Spä zei : offenbar en s and es im Jahre 1671 und is , wahrscheinlich auf Ansuchen der Madrider Pa res S. J., zum feierlichen Anlaß der Kanonisa ion des heiligen Franziskus Borgias, durch Klemen XI., am 12. April des genann en Jahres, geschrieben worden. Spanien ha e in der Person des neuen Heiligen, des eins igen gu en Herzogs von Gandia und spä eren dri en Generals des Jesui enordens, einen seiner großen barocken Heiligen. In Böhmen ha e man zu dieser Zei — fünfzig Jahre nach der Schlach am Weißen Berg — bes imm keinen besonderen Grund, dem neuen Heiligen en gegenzujubeln.

Aber berei s vierzig Jahre spä er, 1710 und im freiwillig und unfreiwillig reka holisier en Böhmen, s eh die Figur des heiligen Franziskus Borgia als ein Werk unsres Bildhauers Ferdinand M. Brokoff un er den S a uen, die die Prager Karlsbrücke zu beiden Sei en säumen, und sie s eh — als sieben e auf der linken Sei e in der Rich ung zur Burg — noch heu e da: Der Kul des Heiligen gelang e bis zu uns. Sein jüngs er Sohn, Don Juan de Borja y Cas ro, war übrigens schon in den Jahren 1578 bis 1581 spanischer Gesand er am Hofe Kaiser Rudolfs II. Wie dem auch sei, ich bin gewiß der ers e scheche in der Geschich e, dem es gegeben war, das großar ige Drama von Calderón kennenzulernen. Und es freu mich, daß dieses e hische und äs he ische Erlebnis als ers es im Rahmen des Wiener Fes ivals gerade das ös erreichische Publikum haben wird. Im Hinblick auf die his orischen Ums ände, un er denen das dich erische Werk unserer gemeinsamen Kul ur erhal en blieb, erschein mir das auch gerech zu sein.

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