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IN DREI VA ERLÄNDERN ZU HAUSE

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Am 25. Mai jähr sich zum fünfzehn en Male der odes ag jener ös erreichischen Dich erin, die Zei ihres Lebens die drei Va erländer, von denen sie gerne sprich , in sich zum Einklang zu bringen vermoch e: das große Ös erreich, dem sie durch ihre Ahnen verbunden is und bleib , das kleine Ös erreich, das ihr zur Heim- und Wirkungss ä e wird, und das jensei ige Va erland, dem sie in s iller, verzehrender Liebe en gegengebrann ha . Der Ga e der Dich erin, der bekann e Publizis Erns Molden, berich e über dieses Heimgehen seiner Ga in an deren Freundin Camilla Lucerna nach Zagreb:

Bad Hall, 24. Juni 1951

,, Nich nur für mich, der ich nun siebenunddreißig Jahre mi ihr in einer Gemeinschaf leb e, die wahrhaf ig mehr gewesen is als bloß eine Ehe, is mi Paula eine Wel aus dieser Wel gegangen Wenn ihr gelieb es Leben zule z in der langen Krankhei (sie ha e ein Carcinom, aber ohne Schmerzen, wie durch eine Gnade) wirklich wie eine edle Kerze herun ergebrann und s ill erloschen is , sie bleib doch durch all ihre so ief bekennenden Gedich e eine in Wahrhei nie und nie verlöschende Kerze. Nie hä e ich es für möglich gehal en, daß in einem Übergang von dieser zur jensei igen Wel so viel Harmonie, so viel Friede, eine solche Erfüll hei von Liebe sein könne wie in Paulas Hinübergehen. Bis zehn age vor dem Ende war sie voller Pläne für die Zei nach ihrer Genesung, dann kam eine auch für sie nich mehr übersehbare Schwäche. Am Sonn ag vor dem Erlöschen, das Frei ag früh erfolg e, las sie mir ihr im Südlichen Sommer' s ehendes Gedich ,Deine Hände' vor, dessen le z e Zeilen lau en: , wenn ich in der le z en No deine Hände hal en kann.' So zar deu e e sie mir ihr Wissen an, aber am Schluß schluchz en wir doch beide. Immer wieder sag e sie: ,Ich bin so krank und bin doch so glücklich.' S ark empfand sie die Woge von Liebe, von Verehrung, von Freundschaf , die um sie war in dem Krankenzimmer voller Blumen, vor dessen kleinem Balkon blühende Kas anien zu ihr hineingrüß en. Sie lag in der sogenann en ,Wiener Priva klinik' im 9. Bezirk, nahe der Spi algasse; sie ha e den ganzen ag immer jemand von den Freunden bei sich, den sie dann den ,gu en Engel' nann e; nach s ha e sie eine Schwes er zur Pflege. Ihre leibliche Schwes er Jela war die le z en Wochen da, aus England gekommen. — Die Harmonie dieser Wochen erfüll e auch ihren le z en Weg. Es war ein sonniger ag, die Luf voll Vogelgezwi scher, als sie in dem von der S ad Wien ges if e en Ehrengrab, dich neben den Gräbern der Großen der Musik, neben Gluck, Bee hoven, Mozar ,’ Schuber , Hugo Wolf, beigese z wurde. Nach der Ansprache des Erzbischof-Koadju ors, der sie einsegne e, sangen die Wiener Sängerknaben am Grab die Bundeshymne, deren ex von Paula is . Das Requiem hiel im Dom von S . S ephan der Kardinal auch als wirkliche Gedäch nisfeier. Be en wir, die wir sie im Leben lieb en, für ihre liebe Seele."

Camilla Lucerna, die Empfängerin dieses Briefes, eine Li era in von hohem Rang, die sei frühen agen der Dich erin Paula von Preradovic zu iefs verbunden war, verkörper das, was die Li era urhis oriker als Mi ler zwischen den Völkern bezeichnen. Haben die beiden Dich erinnen — auch Paula von Preradovic ha das Erbe ihres Großva ers, des berühm en kroa ischen Freihei sdich ers Pe ar Preradovic, mi ihrem deu scher Zunge zugewand en poe ischen S reben zu vereinen versuch — aus dieser Urverwand schaf zueinander gefunden? Auch mi Dr. Elsa Kucera, einer ebenfalls in Zagreb ansässigen hochgebilde en Dame, verbinden diie Preradovic freundschaf liche Bande.

Als der Plan, nach dem der noch kroa isch empfindende Va er Paulas Dusan Preradovic in den agen vor dem ers en Wel krieg das S aa sarchiv in Zagreb als Lei er übernehmen soll e, geschei er war (siehe „Die Furche“ Nr. 10/1962), rück e das Ziel der Sehnsuch Paulas, ins Land ihrer Vä er heimzukehren, in ungewisse Ferne. Die Dich erin soll e dieses Ziel nie erreichen. Die geis igen Fäden aber blieben. Sie dokumen ieren sich äußerlich in einem mehr oder weniger regen Briefwechsel mi Camilla Lucerna und Elsa Kucera sowie in vielen Gedich veröffen lichungen und Buchbesprechungen in Agramer deu schen und kroa ischen Zei schrif en.

Vor allem der erwähn e Briefwechsel gewähr iefen Einblick in den inneren Werdegang eines Dich erschicksals und den Reifungsprozeß jener Dich ungen, die wir heu e zum fes en und unveräußerlichen Bes and neueren ös erreichischen Schrif ums zählen.

Der Aufen hal in Pola is durch eine mys ische Na urschwärmerei gekennzeichne , aus der unbändige Sehnsuch nach Einsamkei erwächs . Alle Gedich e dieser frühen age, die sich in einem von Paula selbs angeleg en handschrif lichen Hef im Besi z von Elsa Kucera in Zagreb befinden, ragen das Signum dieser raumhaf en Einsamkei , dieser Sehnsuch nach dem Menschen, die in der Gewißhei , das gelieb e Wesen nur en fremde verehren zu können, sich zu Leid auswächs .

Am 30. Dezember 1911 schreib sie an Elsa Kucera:

„ Denn ei el is man ja, ro z aller Sehnsuch nach Einsamkei . Überhaup , liebes Fräulein, ich bin nur ¿irgendein Mädel'. Aber wenn sie dieses s ark wel liche Geschöpf, das un er die rich igen sorglosen agesmenschen doch wieder gar nich paß , ein wenig liebhaben wollen, so wie es is , so werde ich Ihnen sehr dafür danken. Und daß die Verse, die sich, unabhängig von meinem Wünschen und Wollen, als selbs ändige Wesen in mir bilden, Ihnen einen gu en Eindruck gemach haben, das freu mich von ganzem Herzen. Wenn mir ein hochs ehender Mensch das sag , is das der einzige gleichwer ige Ersa z für die Schmerzen, die so ein , alen ' kos e . Sie werden das ja selbs wissen. Ich habe ein sehr schönes Gedich von Ihnen gelesen: .Filosofija'; nur leider konn e ich Klang und ers en Eindruck nich voll beur eilen, weil ich das Kroa ische leider noch nich genug beherrsche. Und ro z wiederhol er Bi en ha Fräulein C. Lucerna mir die deu sche Überse zung nich geschick ."

Das Leid ri in das junge Dich erleben. Am 4. Juni 1912 schreib die Preradovic aus Pola an Kucera:

,, Papa erzähl e mir, daß zu Os ern Gedich e von mir im ,Agramer agbla ' gewesen sein sollen. Ich ha e keine Ahnung davon und bi e Sie sehr, mir wenn möglich ein Exemplar zu schicken, wenn Sie eines bekommen können Ach, liebes Fräulein Elsa, wie fern is die Zei , da wir zusammen durch den Schnee gegangen sind. Wie voll Hoffnung war ich damals — und heu e! Es is viel Schweres über mich gekommen " (In der Nummer 301 des Jahrganges 1912 des „Agramer agbla es“ war das Gedich „An meinen Großva er“ abgedruck worden.)

Immer wieder sind es küns lerische Gehal - und Ges al probleme, die die Ringende beschäf igen, ob es nun die Novelle „Pave und Pero“ is (als Novelle bezeichne e die Dich erin ursprünglich die spä er zu einem Roman gewordene Biographie ihres Dich er-Großva ers Pe ar Preradovic) oder die vielen Gedich e, alles wird mi großer S renge geprüf und gewogen.

Für Camilla Lucerna soll 1938 ein Gedenkbuch erscheinen, auch Paula von Preradovic is als Freundin Camillas zur Mi ges al ung eingeladen. In diesem Zusammenhang schreib sie am 24. März 1938 an Elsa Kucera en schuldigend, daß sie wegen des Ringens um vollende e Ges al ung des Gedich es den ermin nich einhal en konn e:

„ Eine andere Ballade war fas fer ig und ich versprach diese dem Dr. Schü z. Es fehl en aber die le z en und en scheidenden S rophen. Obwohl ich mich immer wieder bemüh , obwohl ich darum har gerungen habe, konn e ich sie nich meis ern. Man kann nich dich en, wenn man will, sondern nur, wenn man von innen her muß, ich wenigs ens kann nich anders. Ich hoff e nun auf ein anderes Gedich , und es kam, das Rilke-Gedich . Aber es war zu spä . Dieses is ein wirkliches Gedich , es komm aus meiner iefs en Seele, und es würde zu Camillas Seele sprechen, da es von der schöpferischen No und dem Sieg eines ganz Großen handel Dr. Schü z denk gewiß, daß ich aus bösem Willen nich s geschick habe, er soll e es nich denken. Ich s ehe un er einem absolu ehernen Gese z, was das Küns lerische be riff , und kann es nich durchbrechen.“

Das Gedich „Rilke auf Muzo “ kam nich zu spä — es wurde in den „Camilla-Lucerna-Zbornik“ aufgenommen (Sei e 124 f.).

Große Ans rengung forder der Dich erin ihre in ensive Beschäf igung mi dem berei s erwähn en Roman „Pave und Pero“ ab. Sie besuch jene S ä en, wo ihre Romanges al en leb en, und s udier Geschich e und Geographie des Landes. „Nun ha sich alles dahin kris allisier “, schreib sie aus dem Ho el Corso in ries am 18. Juli 1938 an Frau Dr. Kucera, „daß ich am liebs en in den ers en Augus agen zwei, höchs ens drei age in Zagreb sein möch e, und zwar deshalb, weil ich in Laibach, wohin ich Frei ag zurückkehre, noch eine geschlossene Zei von mindes ens neun bis zehn agen haben möch e, um das Ma erial, das ich auf meinem Abs echer in I alien gesammel habe, zu verarbei en Ich habe in Mo a das Grab meiner Großmu er besuch und überhaup viel Wich iges gesehen, morgen fahre ich noch nach Zara, um bei der Familie de Pon e noch allerhand zu erfragen.“

Aus Ljubljana, wo die Dich erin Gas Lili Navys war, und aus Zagreb, wo sie Kuceras Gas freundschaf genossen ha , nach Wien zurückgekehr , schreib sie am 9. Sep ember 1938 an ihre Zagreber Gas geberin:

„Ich arbei e unausgese z daran, in mir selber der Dinge Herr zu werden, über alles hinauszuwachsen, das Kreuz zu schul ern, manchmal schein es zu gelingen, manchmal droh völliges Un erliegen. Es gib immer mehr Schwierigkei en. Mi ,Pave und Pero' habe ich noch nich wieder begonnen, doch will ich bald versuchen, es zu un. Ich habe augenblicklich einen wahren Haß gegen meinen Prosas il und sehne mich nur darnach, Gedich e zu schreiben, die ja — für mich — allein wahre Erlösung bedeu en. Wahrscheinlich werde ich für meinen Sündenfall in die Prosa dadurch ges raf , daß die Gedich e sich mir weigern Von all den vielen Heims ä en, Bildern, Si ua ionen meiner ach wöchigen Wanderschaf is mir nich s so deu lich haf en geblieben, nich s is mir innerlich so gegenwär ig, wie Deine s illen Zimmer, in denen die Möbel mi dem inneren Bezug von S ernbildern zueinander s ehen, und wie das ros volle Grün vor Deinen Fens ern. Ohne daß ich eigen lich daran denke, spüre ich es immer."

In vielen Briefen an Camilla Lucerna kling immer wieder das Ges al ungsproblem auf: Sie s udier Pe ars Biographie, erkundig siqh, ob der Briefwechsel ihres Großva ers mi seiner Brau vielleich im Archiv von Zagreb zu finden sei, beklag sich darüber, daß sie nich Kroa isch vers ehe; im übrigen ha die Dich erin Gedich e ihres Großva ers auch überse z ; die Rohüberse zungen liefer en ihr allerdings andere.

Wie berei s erwähn , nimm sie die Arbei an „Pave und Pero“ voll in Anspruch. Am Os erdiens ag des Jahres 1939 schreib sie an Lucerna:

„Du muß mir diese ganze Zei über immer verzeihen, weil ich nie schreibe. Ich bin an ,Pave und Pero' geke e wie an eine Galeere, meine ganze Kraf wird davon aufgebrauch , und besonders is mir das Schreiben verleide , wenn ich den ganzen ag geschrieben habe, das wirs Du begreifen."

Vielges al ig sind die Arbei en und die Pläne, die die Dich erin darüberhinaus beschäf igen: ein Buch über den bekann en kroa ischen Küns lers Mes rovic, kleinere Spiele, die Königslegende und manches andere. In kurzen A empausen aber flieh sie immer wieder in die S ille der Na ur, mi Vorliebe in den Süden. Von Schloß Wildenegg bei Domzale in Slowenien, wo sie 1936 weil e, schreib sie am 15. Augus an Camilla Lucerna:

„Hier sind wir in eine unsägliche Wel ferne und S ille verschlagen, eine Lebenslage, die ich namenlos genieße Wenn Du hier sein könn es , das wäre der Or , um alles nur Mögliche zu reiben und auch zu Ende zu bringen. Schloß Wildenegg muß e was Ähnliches sein, wie Euer Falkens ein gewesen is . Ein kleines Schloß in einer Mi elgebirgslandschaf , mi hohem Gebirge ( riglav und S einer Alpen, dazwischen der S ou) in ferner Sich . Fas auf jedem der Waldberge eine weiße, spi zige Kirche, Obs bäume, Mais auf den Feldern, unaufhörliches, schönes Glockenläu en. Im Haus unzählige Bilder und Andenken an dahingegangene Zei en. Die Menschen gü ig, wel fern, leidgeprüf ."

Beschäf igung mi ech en Kuns werken is ihre innere Bereicherung; so rühm sie an Ger rud von Le For s „Magde- burgischer Hochzei “, daß es sich bei diesem Buch um eines der größ en Kuns werke handle, das ihr auf dem Gebie des Romans un ergekommen sei. Zu einer persönlichen Begegnung zwischen Ger rud von Le For und Paula von Preradovic is es nur einmal gekommen, und zwar in den Nachkriegs agen anläßlich einer Au orenlesung in Fribourg. Im Lienzer Museum bewunder sie „mi Hingerissenhei mehrere Originale des wahrhaf großen Egger-Lienz“. (An C. Lucerna am 8. Ok ober 1940.)

Niemals aber wird der Dich erin li erarische Arbei leich . Als Dr. Elsa Kucera anreg e, Preradovic möge aus der Begegnung mi dem Nachlaß von Ulrich Hans Bosshard Dich ung werden lassen, an wor e sie am 16. Mai 1944:

„Was Du zum Schluß schreibs , liebe Elsa, jene Andeu ung, daß aus meiner Bekann schaf mi Nachlaß, Briefen und Heim des Vers orbenen vielleich e was hervorgehen könn e, das eigenes Leben ha , — wir wollen es nich beschwören und herbeizwingen wollen. Diese Dinge müssen, wie die wahre Liebe, aus der inners en Freihei kommen, wer wüß e das besser als Du. Ich habe mehrere Aufgaben vor mir, die ich wegen der Unguns der Verhäl nisse je z nich fördern kann; jenen Aufgaben werden wohl meine e was wieder freiwerdenden Kräf e zu gel en haben. Aber man kann nich s wissen und voraussagen; eine Begegnung mi besonders s arken oder iefen Eindrücken kann alles übrige zur Sei e schieben. Es wäre schön, wenn es dazu käme, aber man muß es abwar en."

S arke und iefe Eindrücke ha die Dich erin vom kroa ischen und gesam en südslawischen Kul urraum empfangen. Auch die Publizis ik in Zagreb ha gerne auf die Dich ungen der Enkelin des großen Freihei sdich ers zurückgegriffen. Gedich e, Prosa ex e und Buchbesprechungen über Paulas Bücher erschienen immer wieder in folgenden Zei schrif en: „Agramer agbla “, „Morgenbla “, „Neue Ordnung“, „Agramer Zei ung“, „Deu sche Zei ung in Kroa ien“; „Hrva ska prosvje a“ („Kroa ische Kul ur“), „Nova Evrupa“ („Neues Europa“), „Slovenec“, „7 dana“ („Sieben age“), „Hrva ski narod“ („Kroa isches Volk“), „Obzor“ („Rundblick“), „Novos i“ („Neuigkei en“), „Ju ranji lis “ („Morgenbla “) sowie in vielen anderen Kul urzei schrif en vor allem in Zagreb und Ljubljana.

Al ös erreichische radi ion finde hier ihre konsequen e For se zung. Lassen wir zum Abschied Dr. Elsa Kucera zu Wor kommen, die Paula von Preradovic wie folg charak erisier : „Die Abende bei Dir werden mir unvergeßlich bleiben, Dein in ensives, so ganz vergeis ig es und mi Kuns verwobenes Leben mi en in der Familie, wobei eines durch das andere wechselsei ig gehoben und bereicher wird. Deine Gedich e schwingen in mir nach wie immer.“ (Zagreb, 11. Feber 1935.) An Erns Molden schreib Dr. Kucera nach dem od von dessen Ga in am 18. Juni 1951: „So sel en vollende und abgerunde wie Paulas Dich ungen erschien mir auch ihr Leben immer wieder. Und sie war und bleib wie ein glorreicher Segen in mein eigenes Dasein verwoben.“

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