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Der „Sturm“ in Salzburg

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Shakespeares „Sturm“, der melancholisch-heitere Abschied des Dichters vom Theater, ist in seiner traumhaften Irrealität und Gleichnishaftigkeit, in seiner unstofflichen Atmosphäre und poetischen Tiefe eines der schwer zu realisierenden Ziele theatralischen Strebens und kann die Arbeit eines noch jungen Ensembles eigentlich nur abschließen. Daß das Salzburger Landestheater dieses geheimnisvolle Kronjuwel der dramatischen Weltliteratur an den Anfang einer Spielzeit mit zum Teil neuem Personal stellte, war also ein Wagnis und dessen guter Ausgang die erste angenehme Überraschung des Theaterjahrs 1965/66, der noch viele folgen mögen. Die Wahl des Stückes erwies sich demnach als gerechtfertigt und sei insonderheit dann gutgeheißen, wenn sie einen Anspruch, eine Linie andeuten sollte. Lag ihr indes die

Absicht zugrunde, die neugewonnenen Kräfte möglichst vorteilhaft zu präsentieren, muß einschränkend angemerkt werden, daß

sie Albrecht Götz, dem die herrliche Rolle des Prospero anvertraut war, mehr als den anderen zugutekam. Eindrucksvoll in der Erscheinung, im Spiel von gehaltener Intensität, ein vorbildlicher Sprecher, erfüllte Götz seine Aufgabe im Geiste des Dichters, als dessen Selbstporträt die zentrale Gestalt der Komödie wohl aufzufassen ist. — Hon« Musäus wirkte eher durch seine grausige Caliban-Maske als durch seine Darstellung. Die komischen Akzente waren zu spärlich gesetzt. In der Figur des Alonso fand Ernst Soelden nur Gelegenheit, sich als guten Sprecher zu empfehlen, und auch für

Johanna Mertinz, die neuverpflichtete Miranda, wird noch eine Rolle gefunden werden müssen, die ihr mehr abfordert als natürlichen Liebreiz. Vom „alten Stamm“ des Landestheaters bot Gerhard Mörtl als der versoffene und verkommene Stephano die überragende Leistung. Sein Kumpan Gerhard Zemann in der Rolle des einfältigen Spaßmachers Trincuilo, verstand es vorzüglich, aus seiner langgezogenen Schneiderfigur und der dazu passenden Stimme Komikerkapital zu schlagen. Als Ferdinand gewann Klaus Maria Brandauer Sympathie, wenn auch der Glanz seiner Jugend und seiner Herkunft nicht so strahlend aufblühte, wie man es bei diesem Schauspieler erwarten durfte. Ralf Weikert lieferte eine brauchbare Bühnenmusik und Eugen Wintterle strebte in seinem Bühnenbild äußerste Vereinfachung an. Mit Recht. Shakespeares dichterisches Wort ist so stark, daß es des Bildes nicht bedarf. Aber wozu dann diese tapezierte Unendlichkeit von Himmel und Meer? Nie würde man vor den senkrechten schwarz-gelben Streifen auf die Idee kommen, daß die Szene eine Insel darstellt. Wer „Die grüne See mit der azurnen Wölbung“ schauen will, von der Prospero spricht, tut gut daran, die Augen zu schließen. Angesichts des Ganzen wollen wir es den kleinen Fehlern gegenüber ebenso halten.

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