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Damals wie heute -sie hungern sich groß

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Die DDR-Bevölkerung kann nicht in ausreichendem Maße mit Grundnahrungsmitteln versorgt werden. Nach Polen und der Tschechoslowakei muß nun auch die DDR den Brotkorb höher hängen. Ernste Versorgungsschwierigkeiten drücken die ostdeutsche Bevölkerung. Es fehlt nicht nur an Lebensmitteln, sondern auch an vielen Waren der Konsumgüterindustrie. Käuferschlangen vor den staatlichen und privaten Verkaufseinrichtungen sind in der DDR wieder an der Tagesordnung.

Der stellvertretende DDR-Minister für Handel und Versorgung, Herbert Meyer, hat jetzt in Ost-Berlin eingeräumt, daß die DDR trotz sichtbarer Fortschritte „noch vor vielen Problemen“ bei der Versorgung der Bevölkerung stehe. Vor Wirtschaftsfunktionären sagte er unter anderem, daß es bei den Handelsbetrieben nicht immer gelinge, „im Zusammenwirken mit der Industrie ein dem Bedarf entsprechendes Sortiment anzubieten“. Schwierigkeiten gibt es laut Meyer auch beim Warenumschlag, der nicht überall auf rationellste Weise gestaltet sei. Die bestehenden Probleme könnten nur durch eine enge Zusammen arbeit zwischen Handel und Industrie gelöst werden.

Nun, das reibungslose Zusammenwirken zwischen Industrie und Handel hat in der DDR noch nie geklappt. Aber das dürfte nicht der Grund für die jetzt auftretenden Versorgungsschwierigkeiten sein. Vielmehr ist es die verfehlte kommunistische Planwirtschaft, die dazu zwingt, daß sich die Bürger in der DDR stärker als in den vergangenen drei Jahren einschränken müssen.

Im gesamten Gebiet der DDR ist Frischgemüse zur Zeit Mangelware. In der mecklenburgischen Kreisstadt Prenzlau konnte man vor den vier Fleischerläden, die vom Konsum verwaltet werden, Käuferschlangen beobachten. Ähnlich auch in Dessau. In Frankfurt an der Oder drängelten sich Käufer vor einem Konsumladen, dem eine Sendung Erdbeermarmelade zugeteilt worden war. Das Verkaufspersonal hatte Anweisung, pro Käufer nur ein Glas abzugeben. Bemerkenswert ist auch der Mangel an Hülsenfrüchten. In zahlreichen Städten und besonders in kleineren Ortschaften sind Erbsen, Linsen und Bohnen überhaupt nicht zu haben. In Dresden, Magdeburg, Wittenberg und Schwerin wurde die Bevölkerung aufgerufen, mit Speisekartoffeln sparsam umzugehen, da der vorhandene Bestand voraussichtlich den Bedarf der Bevölkerung nicht decken könne. Hamsterkäufe sind dennoch an der Tagesordnung.

Auch die Konsumgüterindustrie der DDR ist - wie jetzt bekannt wurde -mit ihren Lieferungen an den Handel auf verschiedenen Gebieten erheblich im Rückstand. Selbst „Radio DDR“ mußte bestimmte Versorgungslücken zugeben, die in letzter Zeit bei Konsumgütern aufgetreten sind. Wie der Sender mitteüte, seien diese Lücken auf beträchtliche Lieferrückstände zurückzuführen, so etwa der Bekleidungsindustrie. Hier reiche das Angebot an modischen Herrenhosen nicht aus. Auch Jeansanzüge für Jugendliche seien Mangelware.

Berichten in der DDR-Presse zufolge, werden jetzt staatliche und genossenschaftliche Einzelhandelsbetriebe in zunehmendem Maße für Lücken im Angebot zur Rechenschaft gezogen und von Vertragsgerichten zur Zahlung von Geldstrafen an den Staatshaushalt verurteilt. ■

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