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Der Faschistenpriester

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„Italien ist wahrlich das Land müht nur der unbegrenzten Möglichkeiten, sondern auch der unbegrenzten Unmöglichkeiten.“ Dieses Bonmot Inidiro Montanellis bestätigt sich wiader einmal im Blick auf die beiden Neuparlamentarier del Don-no und Saccucci. Sie sind auf einer Liste des MSI (der neofaschdstischen Partei) gewählt worden, obwohl ihnen vor dem 20. Juni kein Mensch auch nur eine kleine Chance gegeben hätte.

Del Dormo ist katholischer Priester. Er selbst hat seine Kandidatur für das MSI am wenigsten ernst genommen. „Es war, wie um zu versuchen, auf den Mond zu fliegen. Warum hätte ich den Bischof um Erlaubnis bitten sollen?“ erklärte der neofaschistiscfae Abgeordnete nach seiner Wahl. Daß er den Gegenkandidaten Tatarella aus dem Felde schlug, führt er auf die Art seiner Wahlkampagne — drei bis vier Versammlungen pro Tag — zurück. Don del Donno ging es nicht darum, die Democrazia Cristiana vor seinen Zuhörern schlecht zu machen, sondern diese vielmehr zu bitten, ihm zu helf en, „die Partei der Kirche auf den guten Weg zu füh-

ren“ und von ihrer linfcslastigen Hypothek zu befreien. „Offenbar sind meine Wähler mit mir eines Sinnes“, meint Don del Donno nicht ohne Selbstzufriedenheit.

Hat del Donno seine Wähler im Zeichen einer Allianz zwischen DC und MSI gewonnen, so bestach im Falle Sacouccis dessen unzimperlicher Umgang mit Waffen. Daß er in einer Walhlversammlumg in Sette Romano, einer dunkelroten Gemeinde bei Latina, sich mit Revolverschüssen Gehör verschafft und nach weiterer Bedrängiung vielleicht sogar aus seinem Wagen auf herumstehende Linkskommunisten geknallt hat, erschreckt und ängstigt offenbar nur die biederen Bürger in diesem Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten, nicht hingegen die so gern im Banne des „starken Mannes“ stehenden Faschisten alter oder neuer Ausprägung. Anders läßt sich seine Wahl, nach einer mißglückten Flucht in die Schweiz und einer geglückten Absetzung nach England mit anschließender Untersuchungshaft in einem Londoner Gefängnis nicht erklären.

Ob die beiden Abgeordneten Saccucci und del Donno tatsächlich im

Montecitorio-Paliast sitzen werden, ist ungewiß. Nach Ansicht vieler Juristen müßten beide auf ihr Mandat verzichten. Der erste, solange das Parlament seine Suspendienung aufrecht erhält, der zweite, weil er als Priester gar nicht hätte für ein öffentliches Amt kandidieren dürfen.

Nach Artikel 43 des 1929 zwischen Mussolini und Pius XI. geschlossenen Konkordats besteht nämlich ein ausdrückliches Verbot „für alle weltlichen und Ondenspriester in Italien, sich bei irgendeiner Partei einzuschreiben und für deren Ziele ziu kämpfen“. In Artikel 51 der italienischen Verfassung von 1947 werden jedoch unter den „Fällen der Nicht-Wählbarkeit“ die Geistlichen mit keinem Wort erwähnt. Deshalb streiten jetzt die Juristen, ob sie auf das Konkordat Rücksicht nehmen und del Donno den Einzug ins Parlament verwehren oder ob sie die spätere Verfassung zur Richtschnur nehmen und den Priester — vielleicht wegen einer bloßen Vergeßlichkeit der verfassungsgebenden Versammlung — in den Reihen der Verehrer „starker Männer“ sitzen lassen sollen.

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