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Innsbruck spielt Tschechow und Schönherr

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Anton Tschechows Drama „Drei Schwestern” ist wie viele seiner Stücke schwer zugänglich. In einem feinen, behutsam gezeichneten Genrebild aus dem Rußland des fin de siėcle stellt der Autor indirekt die Frage nach dem Sinn des Lebens. Der Verzicht auf äußere Dramatik, die Kunst der leisen Töne und die Technik der Stimmungsbilder, der variierenden Wiederaufnahme erfordert eine äußerst sensible, poetische feinfühlige Regieführung. Obwohl Bühnenbilder (Peter Mühler) und Kostüme(PiaMon- tecuccoli) Tschechows Atmosphäre in geradezu idealer Weise vorgaben, gelang es Rudolf Kautek in seiner zweifellos sehr sorgfältigen Inszenierung am Innsbrucker Landestheater nicht bruchlos, das „piano” des Stücks durchzuhalten, theatralische Effekte zu vermeiden und die Hintergründigkeit der scheinbar so belanglosen Dialoge aufzudecken. Allerdings gab es immer wieder Szenen, in denen alles stimmte.

Eigentliche Träger des Abends waren die Männer. Individualistisch gezeichnete skurril-labile Tschechowfiguren standen in Kurt Müller-Waiden als Bruder, Günther Lieder als Maschas Mann, Johannes Bahr als Baron, Volker Krystoph als Oberstleutnant und Karl Sibold als Militärarzt auf der Bühne. Die Rollen der drei Schwestern, jede für sich eine psychologische Meisterleistung des Autors, verlangen sehr viel von den Darstellerinnen. Obwohl Ingrid Heitmann die schülernde Figur der Mascha nicht ganz einfangen konnte, war sie doch in ihrer restlosen Hingabe an ihre große Liebe sehr überzeugend. Sonja Höfer als Olga nahm man die Rolle der unerfüllten Frau durchaus ab, doch wurde ihr wie Barbara Schalkhammer als Irina der winzige, aber gravierende Unterschied zwischen Sentimentalität und träumerischer Melancholie zum Verhängnis.

Zwei Stücke von Karl Schönherr werden jetzt in Innsbruck gespielt. Im Theater am Landhausplatz brachte Oswald Fuchs in einer ungemein durchgefeilten Inszenierung den „Weibsteufel” heraus, mit Isolde Fer- lesch in der Titelrolle. Der Regisseur läßt durch eine leise, behutsame Textführung die geballte innere Dramatik sichtbar werden. Für ihn ist das Tiroler Heimatmilieu nur Folie einer allgemeingültigen Aussage, die ebenso an Ibsen wie an Horväth erinnert. Damit wird Fuchs dem immer wieder zum Nur-Heimatdichter abgestempel- teri Schönherr gerecht, während Erich Innerebner, der als Gast am Tiroler Landestheater „Frau Suitner” inszenierte, alle Möglichkeiten des Heimatstücks, der Mundartdichtung, breit herausarbeitete.

Auch wurden dem Stück komische Effekte abgewonnen, die einer Begegnung mit der Problematik kaum dienlich sind. Den „reinen Willen zur schmucklosen Einfachheit”, den die Kritik 1917 der Uraufführung am Burgtheater bescheinigte, findet man hier nicht.

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