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Söhne der Wölfin

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Der Sturz Mussolinis im Juli 1943 und die darauffolgenden fünfundvierzig Tage des Interregnums zwischen der Regierung Badaglio und der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 ist bereits mehrfach von Historikern untersucht worden, nicht zuletzt von dem britischen Offizier und Historiker Deakin.

Melton S. Davis hat einen ganz anderen Weg gewählt: Er versucht, als langjährig in Rom lebender Journalist, die lebendige und menschliche Geschichte dieses Interregnums auf Grund vorbildlicher Recherchen zu rekonstruieren, wobei ihm neben der Lokalkenntnis und den persönlichen Verbindungen zu allen sozialen Schichten der römischen Hauptstadt auch eine sehr gute Beherrschung der einschlägigen Literatur zugute kam. Aus dieser Reportage, verquickt mit einer souveränen Darstellung der Ereignisse, ergibt sich eine gute Ergänzung zu Deakins großem Werk über das Ende der Herrschaft Mussolinis — allerdings in einer völlig neuen Technik der Darstellung, weil oft kleinste Akteure der Geschehnisse, die Davis interviewte und aufspürte, neben den historischen Persönlichkeiten zu 'Wort kommen. Auch aus dieser Darstel-stellung von Davis geht hervor, wie dies Deakin schon dargelegt hat, daß der Sturz Mussolinis im wesentlichen von der Person des italienischen Königs abhing, der noch immer, auch im Jahre 1943, der entscheidende Faktor in dem so komplizierten faschistischen System war und dessen Bedeutung Hitler instinktiv schon bei seinem Italienbesuch im Jahre 1938 erkannt hatte. Nur der König konnte, gemeinsam mit einer klug angelegten Verschwörung, die einerseits in die höchsten Ränge des faschistischen Systems selbst reichte und anderseits unterstützt wurde durch Bürokratie, Industrie und Streitkräfte, den Sturz Mussolinis herbeiführen. Damit ist die historische Verantwortung festgelegt, da König Victor Emanuel III. damit versuchte, Italien aus den Wirrnissen des Zweiten Weltkrieges zu lösen.

Wie unglücklich diese Aktionen durchgeführt wurden, wie wenig dabei der Nachfolger Mussolinis, Badoglio, glücklich agierte, wird in dem vorliegenden Werk verdeutlicht: Die diplomatischen Verhandlungsversuche mit den USA, mit Großbritannien, deren Endergebnis der Waffenstillstand — einschließend eine eventuelle Kriegsbeteiligung gegen Deutschland — war, bis zu den unklaren Verhältnissen in Rom, wo immerhin der Schwiegersohn des italienischen Königs eine Art Stillhalteabkommen mit den

deutschen Truppen traf — das alles wird in dem vorliegenden Werk dargestellt. Dargestellt in einer Weise, die journalistisch und auch vom Standpunkt des Historikers faszinierend ist, weil sie nach einem Wort des Nestors der österreichischen Historiker, Heinrich Benedikt, „aus kleinen Mosaiksteinchen, die der Verfasser präzise erarbeitet hat, ein anschauliches und übersichtliches Bild ergibt.“

SÖHNE DER WÖLFIN, Rom 1943. Von Melton S. Davis. Deutsche Verlags-Anstalt GmbH., Stuttgart 1975. 521 Seiten, öS 292.60.

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