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Soziale Monarchie
Der stürmische Empfang und Applaus für Otto Habsburg in Ungarn galt wohl nicht nur dem Mitglied der Delegation des Europarates, die Ungarn besuchte, sondern auch dem ehemaligen Kronprätendenten, der im übrigen auf die ungarische Königskrone im Gegensatz zur österreichischen Kaiserkrone nicht verzichtet hat.
Die Sympathie, die Otto Habsburg allenthalben entgegenschlug, ist, wenn auch nicht Vorbote einer monarchischen Restauration, so doch ein Eingeständnis, daß im historischen Rückblick die Herrschaft der Habsburger nicht jenes Schreckensregiment war, als welches sie gerade von der ungarischen Geschichtsschreibung hingestellt wurde. Gerade die Ungarn, die das ihre dazu beigetragen hatten, daß das alte Österreich zugrunde ging, erkennen im historischen Rückblick, wie milde und weise diese Herrschaft der Habsburger im Vergleich mit allem, was später gekommen ist, doch war.
Es entbehrt nicht einer tiefen Symbolik, daß Ungarn darangeht, den Sowjetstern im Staatswappen durch die Stephanskrone zu ersetzen. Damit kommt zum Ausdruck, daß die totgesagten und als finster verschrieenen Mächte, zu denen, nach marxistischer Lesart, neben der katholischen Kirche auch das habsburgische Herrscherhaus gehörten, doch die reichere Substanz und den längeren historischen Atem besitzen. Der Kommunismus war nicht imstande, die Herzen der Menschen zu erobern.
Bei der Gründungsversammlung der neuen Sozialdemokratischen Partei, die sich im Zuge der Rekonstitu- ierung des Mehrparteiensystems bildete, mußte ausdrücklich dementiert werden, daß Otto Habsburg Ehrenmitglied der neuen Partei sei. Doch auch dieses Dementi erfolgte nicht mit geringschätziger A blehnung, sondern im Geiste der Hochachtung, die hierzulande nicht die vorherrschende sozialistische Haltung gegenüber Otto Habsburg ist.
Doch schon die bloße Tatsache, daß man eine solche Dekorierung für möglich hielt, zeigt, daß die Möglichkeit gleichsam in der Luft lag.
Und sie würde auch nicht einer gewissen historischen Logik ermangeln. Vielleicht dämmert es heute manchen, wenn auch spät, daß die soziale Monarchie eine gute Lösung für die Völker Ungarns und Österreichs gewesen wäre; daß ein monarchischer Rahmen nach der Er- kämpfung des allgemeinen Wahlrechtes auch kein Hindernis für weitere sozialpolitische Reformen und für eine Transformation des liberalen Kapitalismus zum Wohlfahrtsstaat dargestellt hätte.
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