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Thema Schauspieler

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Es wirkte fast als Sensation als bei dem von der „Wiener Dramaturgie“ unter dem Motto „Der Schauspieler im Theater der Gegenwart“ veranstalteten 5. österreichischen Theatertag der Regisseur Adolf Dresen, Wien/Hamburg, erklärte, es seien die glücklichsten Zeiten des Theaters gewesen als es noch keine Regisseure gab.

Dresens Anwendung auf heute: Der Beruf des Regisseurs verlange Selbstaufhebung. Dagegen bieten viele Regisseure seiner Meinung nach Originalität um ihrer selbst willen, streben nach immer mehr Niedagewesenem, sind neuen Moden hörig. Es entstehe aber ein Konformismus der Nonkonformen, bei dem keiner „in“ ist, wenn er nicht „out“ ist. Produzent sei nicht der Regisseur, sondern der Schauspieler, der in diesem Teufelskreis zur stupiden Marionotte werde, das Publikum aber schüchtere man ein.

Die Schauspielerin Krista Stadler, Wien, sprach davon, daß Schauspieler und Regisseure viel Angst voreinander haben, daß aber alle geliebt werden wollen. Tatsächlich sei eine Zuneigung zueinander, ein gegenseitiges Verstehen Voraussetzung für eine gedeihliche Zusammenarbeit. Sehr negativ sprach der Schauspieler Herwig Seeböck, Wien, über die meisten seiner Kollegen. Sie seien erzkonservativ, unmündig, Vietnam interessiere sie nicht, Angst vor der Verantwortung kennzeichne sie, Sklaverei dünke ihnen bequemer als Freiheit. Ja, das ganze System dieses „kaputten“ Theaters sei falsch, angefangen von der Ausbildung der Schauspieler. Ein Gegenbild bot Seeböck nicht, möglicherweise denkt er an eine Politisierung der Schauspieler.

Schon der 3. österreichische Theatertag hatte vor zwei Jahren unter dem Motto „Interpretation oder Manipulation“ die Willkürlichkeiten der Antistückregisseure, die selbstherrlich nicht die Stücke, sondern sich selbst inszenieren, zur Diskussion gestellt. Dies um so berechtigter als sehr maßgebliche Kritiker in der Bundesrepublik Deutschland alles Neue, und sei es noch so abwegig, bejahen, nur um nicht als rückschrittlich zu gelten.

Diese Willkürlichkeiten sind aber nicht nur schwere Vergehen gegen die Bühnendichtungen, deren meist seit Jahrhunderten bewährter Gehalt zerstört wird, sie richten sich auch in eminentem Maß gegen den Schauspieler, gegen seine Entfaltungsmöglichkeit. Dresen erklärte nicht nur, der Schauspieler werde zu einer stupiden Marionette, er sprach auch von abgerichteten Affen. Das kann gar nicht anders sein, denn die gewaltsamen Veränderungen des Stücks und seiner Einrichtung durch den Regisseur vermag der Schauspieler von sich aus gar nicht mit umzusetzen, er ist restlos gezwungen, gewissermaßen mechanisch dessen Anweisungen zu vollziehen.

Wenn festgestellt wird, daß Niels-Peter Rudolph in seiner derzeitigen Inszenierung der „Antigone“ von Sophokles-Hölderlin am Berliner Schillertheater die Sprache aufbricht, zerdehnt, manieristisch verzerrt, in grelle, langgezogene Schreie bündelt, so ist das Stück kein Absprung mehr für den Schauspieler, sondern er wird zur Marionette, zum Affen des Regisseurs. '

Produzent des Theaters ist laut Dresen nicht der Regisseur, sondern der Schauspieler. Eben durch Dresens Referat wurden die Gefahren, die heute diesem Produzenten drohen, mit Nachdruck aufgezeigt.

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