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Wann beginnt das Leben?

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Zehn Jahre Fristenregelung war Anlaß für eine Vortragsreihe über das werdende Leben. Sie erschien soeben in Buchform. Im folgenden Auszüge aus einigen Referaten.

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Zehn Jahre Fristenregelung war Anlaß für eine Vortragsreihe über das werdende Leben. Sie erschien soeben in Buchform. Im folgenden Auszüge aus einigen Referaten.

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Die erste an die Biologie gestellte Frage ist: Wann beginnt das Leben? Dabei ist schon gegen die Formulierung ein Einwand zu erheben: Das Leben beginnt nie, es ist immer schon vorhanden, nur das menschliche Leben des einzelnen könnte irgendwann beginnen. In der Medizin wurden dazu immer zwei Fixpunkte angegeben: die Befruchtung und die Geburt.

Mit dem Fortschritt der Wissenschaft kamen zwei andere Zeitpunkte zur Diskussion: die Implantation der befruchteten Eizelle am sechsten bis siebenten Tag nach der Befruchtung und das Ende des dritten Monats, an dem der vollentwickelte Embryo in die Wachstumsphase eintritt.

Wir müssen uns dabei fragen, ob diese Zeitpunkte eine tragfähige Basis für die Entscheidung von Gynäkologen, Juristen, Ethikern und Theologen bilden.

Die Festsetzung solcher Zeitpunkte von der Biologie her hat nun zur Folge, daß jede Gruppe sich denjenigen heraussucht, der am besten in ihr Konzept paßt. Als Lebensbeginn wird von den Verkäufern der,.Pille danach“ die Implantation bevorzugt, der dritte Monat steht bei den „Fristenlö-sern“ hoch im Kurs, die „Indika-tionenlöser“ ziehen die Befruchtung vor und diejenigen, welche keine gesetzliche Regelung akzeptieren, die Geburt...

Kann man behaupten, der Embryo wäre kein Teil der Mutter, sondern ein in den Mutterleib eingebettetes eigenständiges und individuelles menschliches Lebewesen? Bevor man darauf antwortet, muß man bedenken, daß die Mutter hinsichtlich ihrer Frucht durchaus lebensfähig, die Frucht aber bis zu ihrer Reife biologisch vollkommen von der Mutter abhängig ist. Bis dahin bedeutet der Tod der Mutter auch die Vernichtung der Frucht, aber nicht umgekehrt.

Die nichtausgereifte Frucht ist also kein selbständiges Lebewesen, schon gar nicht ein menschliches Wesen, sondern ein nicht selbständiger Teil der Mutter, wie ein beliebiges nicht lebenswichtiges Organ, dabei aber nicht so gefährlich - daher stehen Organe sogar höher in der Bedeutung für das Sein der Mutter.

Dieser Sicht widerspricht prinzipiell auch nicht die Vorstellung von einem mit der Befruchtung beginnenden autonomen Prozeß, der durch die Mutter ermöglicht wird. Das gleiche gilt für festgestellte und spontane Bewegungen des Fötus, auch daraus läßt sich biologisch nicht das Gegebensein individuellen menschlichen Lebens ableiten...

Von der Biologie her gibt es jedenfalls keine grundsätzliche Unterscheidungsmöglichkeit der Frucht von einem Organ.

Der Autor ist Professor am Institut für Physiologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien. '

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