Angesichts der Diskussion um Asylwerber in Österreich, lohnt es sich, das Thema in die richtige Perspektive zu rücken. Die kann in diesem Fall nur eine europäische sein. Der ganze Kontinent muss sich der Herausforderung stellen. Und die Situation als Chance nutzen, das europäische Asylrecht grundlegend zu reformieren.
Zuallererst müssen die Daten der Länder vergleichbar werden. Denn die Mechanismen, wie Flüchtlingsstatistiken zustande kommen, unterscheiden sich innerhalb Europas erheblich: In manchen Ländern werden die Menschen gezählt, die in der Grundversorgung betreut werden. In anderen, wie Österreich, die Asylanträge, die gestellt werden - egal, ob das Verfahren danach hier stattfindet oder nicht. Die 26.000 Asylanträge, mit denen das Innenministerium heuer rechnet, beinhalten also auch jene Menschen, die wegen der Dublin-Regel nach kurzer Zeit in ein anderes europäisches Land überstellt werden.
Überhaupt gehört (das wurde schon oft gesagt) das Dublin-Abkommen ausgemustert. Und zwar nicht nur, weil die Regel unfair ist, sondern auch (das wurde noch nicht so oft gesagt), weil sie realpolitisch längst zur Farce verkommen ist: Aus Malta werden Asylwerber wegen Kapazitätenmangels in andere europäische Länder überstellt. Nach Ungarn werden immer weniger Menschen zurückgeschoben, nach Griechenland seit drei Jahren gar keine mehr, weil die Betreuung dort "systemische Mängel" aufweist.
Eine gerechtere Verteilung könnten Länderkontingente bringen, deren Befürworterkreis wächst. Auch in Österreich gewinnt die europäische Quote (trotz der schlechten Erfahrung mit der eigenen) Fans. Mit schwingt die Hoffnung, das eigene Land dadurch zu entlasten. Es könnte aber das Gegenteil der Fall sein. Denn um einen Verteilungsschlüssel tatsächlich fair zu gestalten, darf er sich nicht nur an der Bevölkerungszahl orientieren, sondern müsste auch Schlüsselindikatoren wie Wirtschaftskraft oder Arbeitslosenquote berücksichtigen. Möglich, dass Deutschland und Österreich dadurch mehr Flüchtlinge aufnehmen müssen. Aber eine nachvollziehbare Grenze würde Rechtspopulisten die widerlichsten Argumente aus der Hand nehmen.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!