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John Allen, Vatikankorrespondent der liberalen US-Wochenzeitung National Catholic Reporter und Mitreisender im Papstflugzeug bei der jüngsten Reise Johannes Pauls II. nach Aserbaidschan, beschreibt in seiner jüngsten Kolumne, warum internationale Top-Medienleute zur Zeit darauf erpicht sind, auch bei einer kleineren Papstreise dabeizusein: "Viele Journalisten treiben sich in der Nähe Johannes Pauls herum, um an Ort und Stelle zu sein, wenn das Ende kommt", schreibt Allen.

Nüchterner betrachtet gehört es zur Gesetzmäßigkeit des Medienbetriebes, dass ein Papst am Ende seiner Kräfte journalistisch "interessanter" ist als ein Pontifex am Zenit seines Schaffens. Der Aserbaidschan- wie der Bulgarien-Trip hätten vor einigen Jahren zweifelsohne viel weniger Interesse der Weltpresse hervorgerufen. Doch mit dem Bischof von Rom - des Gehens und des Sprechens kaum mächtig - waren auch die Kurzbesuche am Kaspischen und am Schwarzen Meer ein Weltmedien-Event.

Doch einmal mehr werfen die körperlichen Leiden des Papstes Fragen auf, die nicht mit dem Verweis auf Pietät oder auf sein - gelinde gesagt - rigoroses Amtsverständnis beiseite zu schieben sind. Auch der von Verteidigern des Papsttums gern bemühte Hinweis, Johannes Paul II. gebe Alten und Behinderten ihre Würde zurück, indem er zeige, dass auch ein gebrechlicher Mensch ein vollwertiger Mensch sei, ist zu hinterfragen.

Solche Interpretationen drücken sich um die Feststellung, dass zum Amt auch die Fähigkeit es auszuüben unbedingt dazugehört. (Mit gutem Grund verlangt das Kirchenrecht, dass die Bischöfe, die Nachfolger der Apostel, mit 75 Jahren ihren Rücktritt einreichen.)

Wäre es außerdem in einer Zeit und einer Gesellschaft, die Menschen unter enormen Leistungsdruck setzt, nicht ein wichtiges Zeichen, wenn der alte Mann an der Spitze der Kirche signalisierte: Es kommt für jeden Menschen die Zeit, in der er nicht mehr alles tun muss, und in der er die Macht und die Verantwortung getrost loslassen kann?

Dies wäre gerade für Menschen am Abend des Lebens ein besonderes Zeichen der Würde und Hoffnung.

E-Mail: otto.friedrich@furche.at

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