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„Saurer“ - ein guter Name verschwinde

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Mitte April beschloß die Hauptversammlung der österreichischen Saurerwerke AG (ÖSW) die Verschmelzung mit der Steyr-Daimler-Puch A.G. und die Zurücklegung der Namensliste an die Schweizer Firma Adolph Saurer in Arbon. Wie wir von der Steyrdirek-tion erfahren, wurde die Lizenzgebühr von einer Million Schilling für 1970 bezahlt, bis Ende dieses Jahres also wird der Name Saurer in Verbindung mit österreichischen Erzeugnissen noch auftauchen aber dann nicht mehr verwendet werden. 1906 wurde die ÖSW gegründet, bereits 1907 liefen die ersten Omnibusse und Lastwagen, die bis auf das Chassis von der Stammfabrik in Arbon bezogen und in Wien montiert wurden. Hauptkunde dieser ersten Typen war die österreichische Postverwaltung, welche die Saurerwagen speziell in Südtirol einsetzte, weil sie durch die Anordnung der Motorbremse für dieses Terrain besonders geeignet waren. Man ist versucht, von einem sich schließenden Kreis zu sprechen, wenn man feststellt, daß am Anfang dieser traditionsreichen Marke ebenso wie an deren Ende unsere Post als Auftraggeber steht: Am 21. April übergab Generaldirektor Rabus von den Steyrwerken die letzten und modernsten Saurerkonstruktionen hohen Beamten unserer Postverwaltung (Saurer gehört bekanntlich seit 1959 der Steyr-Daimler-Puch A. G. als Konzernunternehmen an). Erfreulich an dieser letzten Entwicklung ist, daß der zwölf Meter lange Einheitsbus von Steyr-Saurer, mit einem 210 PS Saurer-Dieselmotor ausgerüstet, unter Mitwirkung der Post entworfen, konstruiert und gebaut wurde und darüber hinaus auch von der Bahnverwaltung angeschafft und betrieben wird. Die Postverwaltung hat bereits vor drei Jahren sechs Omnibusse als Prototypen erprobt und nunmehr sind die neuen Omnibusse nach den Erfordernissen dieses Großkunden gefertigt worden. Dipl.-Ing. Kraemer der Saurerwerke stellte übrigens die neuen Typen einem Busveteranen, der vor über 20 Jahren ebenfalls der Post geliefert wurde, gegenüber. Dieses Fahrzeug hatte 25 Sitz- und 4 Stehplätze, hatte 90 PS und entwickelte 70 km/h Der neue Bus transportiert 80 Menschen auf 51 Sitz- und 29 Stehplätzen, hat 210 PS und eine Höchstgeschwindigkeit von fast 100 km/h. Aus diesen Daten ist der Fortschritt von zwei Busgenerationen deutlich erkennbar. Der Steyrkon-zern verfügt nunmehr über Reise-, Linien-und Stadtbusse der Kategorien von 7 bis 12 Metern, die nach dem Baukastenprinzip konzipiert sind. Es stehen vier Motoren von 132 bis 230 PS und drei Fahrgestelle mit Blattfedern und kombinierten Blatt-Luftfedern zur Verfügung, so daß Kundenwünsche weitgehend erfüllt werden können. In diesem Zusammenhang verdient die Kooperation von Steyr, beziehungsweise Saurer, mit den ungarischen Ikaruswerken Erwähnung. Hier ist es besonders der 7-m-Bus, der das bisherige Programm unserer Steyrwerke nach unten abschließt. Nach oben hin begrenzt das Flaggschiff der neuen Busflotte, der 12-m-Bus, der Einheitsbus für Post und Bahn, das nunmehr so reichhaltige Programm unserer größten Fahrzeugfabrik.

Anläßlich des Verschwindens eines so berühmten Markennamens taucht wieder einmal die Frage auf, ob diese bedauerliche Entwicklung nicht zu vermeiden gewesen wäre. Als vor 25 Jahren die österreichische Autoindustrie aufzubauen begann, war es gewiß klug, die vor dem zweiten Weltkrieg praktizierte Personenwagenerzeugung aufzugeben und sich auf Lastwagen und Spezialfahrzeuge zu konzentrieren. Nur hätte man — zumindest in den Jahren nach volendetem Wiederaufbau noch einige Schritte weitergehen müssen. Statt daß, wie dies der Fall ist, jedes der vier Lastwagenwerke fast alle Arten von Nutzfahrzeugen sowohl im Hinblick auf Verwendungszweck als auch auf Tonnagen baut, hätte eine Verteilung des Erzeugungsprogrammes Platz greifen müssen. Auf diese Weise hätte man rationeller und billiger fabrizieren können. Aber auch die Auftraggeber — gemeint sind vor allem Großkunden wie die Post- und Bahnverwaltung oder die Verkehrsbetriebe der verschiedenen Städte — hätten längst das tun müssen, was jüngst aus obigen Anlaß als besonders erfreuliches Zeichen gewertet wurde: sich auf möglichst einheitliche Typen einigen und diese daher in größeren Serien bestellen. Uberall in der Welt schließen sich selbst große und mächtige Konzerne zwecks gemeinsamer Forschung, günstigerer Einkaufsmöglichkeiten, rationeller Fertigung und besseren Kundendienstes zusammen, wobei die Selbständigkeit der einzelnen Unternehmungen nicht nur aus Gründen der Namenskontinuität durchaus gewahrt bleiben kann. Bei uns hat man diese Entwicklung offenbar verschlafen. Die Folgen dieser Unterlassungssünden können nicht ausbleiben. Das Verschwinden des Namens Saurer gibt jedenfalls zu denken.

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