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.. baun wir uns ein Nest“

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Sie haben es tatsächlich den Schwalben nachgemacht, genau wie es im Liede heißt, und ein Nest gebaut, die Steyr-Daimler-Puch- Werke in Steyr, ein Nest, das zwar für einen zahlenmäßig kleinen, qualitätsmäßig aber nicht hoch genug einzuschätzenden Teil seiner Mitarbeiter bestimmt ist: für die Konstrukteure von Lastwagen, Traktoren und Stabilmotoren. Im schönen Städtchen Steyr, mit seinen ehrwürdigen Häusern, wurde auf einer großen Fahrzeughalle ein bautechnisches Novum, das (vorläufig wenigstens) seinesgleichen in Europa kaum finden dürfte, errichtet. Ein Konstruktionsbüro allermodem- ster Ausführung, das in der Art eines Schwalbennestes auf die Halle aufgesetzt ist. Die über einen halben Meter dicken Mauern der Halle, die noch aus dem ersten Weltkrieg stammen, sind stark genug, um die Last eines zweigeschossigen Baukörpers zu tragen, der in L-Form gestaltet ist, im Obergeschoß als Mittelstück den großen Zeichensaal, im Untergeschoß das Archiv, das Berechnungsbüro, die Lichtbüdstelle und andere Nebenräume umfaßt. Jede der einzelnen Konstruk- ticmsgruppen, etwa die Motoren, die Getriebe, die Chassis, sind durch eine eigene Farbe gekennzeichnet und durch kleine, übrigens schalldämpfende, in den betreffenden Farben gehaltene Paravents getrennt. Man hat bewußt auf sonstige Trennwände verzichtet, um später Umgruppierungen durchführen zu können.

Der ganze riesige Raum strahlt eine Atmosphäre des Wohlbehagens und der Zweckmäßigkeit aus, fast könnte man sagen, daß all die Prinzipien, nach denen dieses hypermoderne Bureau gestaltet wurde — letzte Erkenntnisse der Arbeitspsychologie und der Bürotechnik, Zeiteinsparung und Ermüdungsfreiheit, Arbeitserlaiehiterung jeglicher Art, Vermeidung von Doppelgeleisig- keit usw. — sicht- und greifbar geworden sind. Auf Grund eingehender Erprobungen wurden Zeichenmaschinen und Geräte aufgestellt, die jeweils in die günstigste Lage gebracht werden können, so daß der Konstrukteur nicht ermüdet. Sie sind schwenk- und drehbar, die Zeichenblätter auf einem durchgehenden Band fixiert, der Zeichner schiebt sich diejenige Fläche zurecht, die er gerade benötigt, der übrige Teil der Zeichnung verschwindet hinter dem Tisch.

Prunkstück und wahrscheinlich erste Ausführung dieser Art in Europa ist der für 1:1- Zeichnungen bestimmte Karosseriezeichentisch, über fünf Meter lang, mit Motorantrieb versehen und in den Boden versenkbar. Die herkömmlichen Hilfstreppen, auf denen die Zeichner beim Entwurf von ganzen Karosserien herumturnen mußten, gibt es hier nicht- mehr. Unnötig zu sagen, daß beleuchtungs-, klima- und schalltechnisch der letzte Schrei der Technik geboten wird: schattenfreie Aus-

leuchtung durch Leuchtstofflichtbänder, spezifische Arbeitsplatzbeleuchtung, zugfreie Spaltlüftung, Frischluftzufuhr, Speisung mit kaltem Nutzwasser und vieles andere mehr.

Man wird sich fragen, wozu dieser enorme

Aufwand? Als ob nicht „normale“ Einrichtungen selbst für einen nicht gerade armen Konzern genügt hätten. Die Antwort auf diese Fragen gaben bei der- am 12. Dezember veranstalteten Einweihung des neuen Gebäudes Generaldirektor Diplomingenieur K. Rabus beziehungsweise der Festredner, Landeshauptmann Dr. Glaißner. Die Steyr-Daimler- Puch AG denkt voraus. Man weiß, daß sich der Konkurrenzkampf immer mehr verstärken wird, daß ein kleines Land wie Österreich nur durch hervorragende Qualität und durch die Verwirklichung neuer Ideen bestehen kann. Wie aber sieht es zur Zeit mit jenen Kräften aus, die ein Garant für Qualität und für Ideen sind? 60 Prozent unserer frischgebackenen Akademiker folgt dem verlockenden Ruf ins Ausland. Man hat berechnet, daß der Absolvent der zweiten Staatsprüfung an einer österreichischen Hochschule dem Staat rund eine Million Schilling gekostet hat. In dieser Ziffer stecken natürlich nicht nur die reinen Ausbildungskosten, sondern auch die in die Hochschulen, die Laboratorien usw. investierten und auf den Einzelfall umgelegten Summen.

Die Ursachen sind bekannt. Für die Forschung geben die USA vom Bruttosozialprodukt 3,1 Prozent aus, Westdeutschland 1,3 Prozent und Österreich 0,3 Prozent. Daß unsere geistigen Arbeiter schlecht bezahlt sind, wissen wir. Junge Absolventen der Hochschulen gehen daher ins Ausland. Das soll, zumindest bei einem unserer größten Konzerne, bei Steyr-Daimler-Puch, nunmehr anders werden. Nicht nur will man der geistigen Elite eines Werkes ein angenehmes Arbeitsmilieu schaffen, man wird sie auch besser bezahlen. Wie uns ein leitender Punktionäir mitteilte, wird ein junger Ingenieur bereits mit einem Anfangsgehalt von etwa 5000 Schilling je Monat rechnen können. Das aber ist ein Gehalt, das sich international bereits vergleichen läßt. Dazu kommt, daß man es auch mit der Sorge um das Wohnproblem sehr ernst genommen hat. In Steyr wurde für 14 Millionen Schilling, die zur Gänze vom Unternehmen aufgebracht wurden, ein sogenannter Komfortwohnblock mit 24 modern ausgestatteten Wohnungen zu je 130 Quadratmeter errichtet, die für von auswärts kommende Konstrukteure bestimmt sind.

Von den 100 neugeschaffenen Arbeitsplätzen im Konstruktionsbüro sind zur Zeit nur 70 besetzt. Man kann annehmen, daß unter den gegebenen günstigen Voraussetzungen -die Besetzung der restlichen 30 Prozent nicht lange auf sich warten lassen wird. Während Diplomingenieur Rabus seinen Vortrag mehr auf zahlenmäßige Feststellungen und sehr interessante Erwägungen allgemeiner Natur abgestellt hatte, zündete die Rede des Landeshauptmannes, der die Verbundenheit des Landes mit Steyr „auf Gedeih und Ver-

derb“ betonte, und der versprach, alles in seiner Macht Stehende zu tun, um die großartigen und zukunftweisenden Bestrebungen dieses wichtigen Gliedes der oberösterreichischen Wirtschaft auch in Zukunft zu fördern.

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