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Mit Panzerkraft im Stadtverkehr

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Die Forderung: Arbeitsplatzsicherung durch Umrüstung. Nun baut Steyr einen Autobus mit Panzermotor. Fraglich ist, ob diese zivile Produktion ein Geschäft werden kann.

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Die Forderung: Arbeitsplatzsicherung durch Umrüstung. Nun baut Steyr einen Autobus mit Panzermotor. Fraglich ist, ob diese zivile Produktion ein Geschäft werden kann.

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Die Forderung ist unüberhörbar wie bestimmt: Das neutrale Österreich soll sich aus dem schmutzigen Rüstungsgeschäft zurückziehen. Und an die Adresse von Industrie und Wirtschaft wendet sich der Appell: Arbeitsplatzsicherung durch Umrüstung auf zivile Produkte.

Das ernste Anliegen entbehrt freilich nicht unernster Verallgemeinerung: Wenn etwa die österreichische Hochschülerschaft eine „wachsende Attraktivität des

Rüstungssektors“ anprangert und als Beweismittel den „Exportkatalog für militärische Ausrüstungsgegenstände“ der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft anführt, verschwimmt das Geschäft mit der Rüstung mit dem der Entrüstung.

Denn im Exportkatalog präsentiert sich ein bunter Querschnitt: Er reicht vom Steyr-Jagdpanzer „Kürassier“ über Eispickel und Eßbesteck bis hin zu simplen baumwollenen Unterhosen. So leicht es auch hierzulande sein mag, dies alles imdifferenziert unter dem Begriff Rüstungsproduktion zu subsummieren und in Exportzahlen aufzuaddieren, so schwer läßt sich in vielen Fällen Rüstungs- von Zivilgut unterscheiden. Manche scheuen diese Mühe und argumentieren lieber gleich unbeschwert drauf los.

Dabei wird eine Unterscheidung künftig eher noch schwieriger werden: Wer die österreichische Landesverteidigung zum Schutz unserer Souveränität bejaht und zustimmt, daß das Bundesheer bei der Beschaffung seiner Ausrüstung nicht ausschließlich vom Ausland abhängig sein soll, muß sich zu einer bescheidenen heimischen Rüstungsproduktion bekennen.

ökonomisch vertretbar ist eine solche Produktion aber nur, wenn ausreichend große Serien hergestellt werden können. Wird der Export von Rüstungsgütern aus einsichtigen und lauteren moralischen Beweggründen abgelehnt, liegt es nahe, militärische Ausrüstung so zu erzeugen, daß sie auch zivilen Gebrauchswert hat. Diese Gegenstrategie zum Rüstungsboom nennt man Zivilkonversion.

Steyr-Daimler-Puch hat jetzt, nicht zuletzt weil das Panzergeschäft in die Sackgasse geraten ist, einen ersten Schritt in Richtung Umrüstung gewagt: Der „Kürassier“-Panzermotor wurde als Antriebsaggregat für Autobusse weiterentwickelt.

Uber dem Motor wurde ein Aufbau von speziellem Zuschnitt konstruiert: der „Österreich- Bus“. Da der „Kürassier“-Motor besonders flach gebaut ist, konnte beim Einstieg fahrgastfreundlich eine Stufe eingespart werden.

Nun hoffen die Steyr-Mannen, die 1982 mit einem Verlust von 619 Mülionen Schilling abgeschlossen haben, auf das Geschäft.

Allerdings: Damit der „Österreich-Bus“ ein Geschäft wird, müßten jährlich 300 bis 350 Stück vom Fließband rollen. Und das ist, angesichts des kleinen Inlandsmarktes und der harten ausländischen Konkurrenz, momentan W unschdenken.

In Österreich wurden im Vorjahr 294 Busse im Gegenwert von 466,2 Millionen Schilling produziert, davon 153 Stück von Steyr; damit wurden 247 Millionen Schilling umgesetzt.

Der zweite Teil entfiel auf den zweiten Anbieter am Inlandsmarkt, auf die österreichische Automobilfabrik ÖAF Graf & Stift, einer Tochter des Bundesdeutschen MAN-Stammwerkes.

Der Export spielt praktisch keine Rolle: Im Vorjahr wurden lediglich 21 City-Busse von Steyr in die Vereinigten Staaten verkauft. Dafür ist der Import umso gewichtiger: Um 448,8 Millionen Schilling rollten 286 über die heimischen Grenzen.

Die Statistik offenbart freilich auch ein Problem, mit dem Steyr zu kämpfen hat: Import-Busse kommen im Schnitt auf 1,56 Millionen Schilling das Stück, bei Steyr liegt er bei 1,6 Millionen und damit auch noch höher als bei ÖAF, die je Bus 1,58 Millionen Schilling umsetzte.

Diese Preisvergleiche lassen aber außer acht, daß vor allem bundesdeutsche Anbieter im Kampf um Geschäft und Marktanteile nebst anderen Offerten hierzulande deutlich unter dem BRD-Preisniveau anbieten.

Das Steyr-Leid ist der Käufer Freud, auch wenn heimische

Fahrgäste die Preisgünstigkeit allein nicht gelten lassen wollen. „Wenn in Ihrer Stadt für den öffentlichen Verkehr ein neuer Autobus gekauft wird, soll das ein österreichischer sein, auch wenn er etwas teurer als andere ist?“ fragte das IFES-Institut im Frühjahr in Landeshauptstädten herum und bekam zur Antwort: Vorrang für „Ja zu A“ bekundeten rund 75 Prozent.

„Ja zu A“: Steyr verweist auf eine inländische Wertschöpfung von 84,3 Prozent, die heimische Konkurrenz argumentiert für sich mit über 70 Prozent, obwohl — anders als bei Steyr — auch Motor und Achsen importiert werden müssen.

Trotzdem wird beispielsweise Klagenfurt 1984 rund 20 Busse für seine Verkehrsbetriebe „wahrscheinlich von Graf & Stift anschaff en“ (Betriebsleiter Gerhard Oswald), nachdem schon die Ausschreibung Steyr wenig Chancen eingeräumt hatte: Ausdrücklich wurde dort ein MAN- Motor oder ein Daimler-Benz- Aggregat gefordert.

Ob Steyr mit Panzerkraft im Linzer Stadtverkehr vertreten sein wird, ist ebenso noch die Frage. Um den Auftrag für 30 neue Stadtautobusse kämpft theoretisch noch neben Steyr und ÖAF die deutsche Konkurrenz Mercedes und Neoplan. Während freilich Vorstandssekretär Gernot Brandlmaier von keinen Präferenzen wissen will („Wenn wir wüßten, was wir wollten, hätten wir schon entschieden.“), entfährt es Prokurist Herbert Brandt jäh, auf die Auswahl angesprochen: „Es ist nur mehr einer da.“ Und schon bisher wurden Graf & Stift- Busse verwendet…

Während sich im kommunalen Bereich damit keine rentablen Stückzahlen für den „Österreich- J Bus“ abzeichnen, könnte Steyr mit Bahn und Post — aber gemeinsam mit Graf & Stift — ins Geschäft kommen: Im August soll nach jahrelangen Beratungen ein „Einheitsbus“ in Auftrag gehen - und das sind etwa 200 Busse im Jahr, rund 60 zu 40 zwischen den beiden inländischen Anbietern geteilt.

Das wäre einiges. Aber doch deutlich zu wenig, damit durch Umrüstung auch Arbeitsplätze gesichert werden.

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