Thema: Religionskritik
Was die Religionen denn der Religionskritik entgegenzusetzen hätten, so hatte ich gefragt. Selbstkritik, Selbstsicherheit und Entwicklungsoffenheit hat Mouhanad Khorchide geantwortet; die Unterscheidung von Gott und Religion, so die Antwort Ina Praetorius‘: beherzenswert gerade für die katholische Kirche; die interne und externe Kritikgeschichte des Judentums, so Walter Homolka: eine wirkliche Gewissenserforschung für das Christentum. Es ist dies alles sehr wahr.
Aber auch sehr schwer und das aus gutem Grund. „Der Feind ist unsere eigene Frage als Gestalt“, so einer der problematischsten deutschen Denker, Carl Schmitt. „Vorsicht also, und sprich nicht leichtsinnig vom Feinde. Man klassifiziert sich durch seinen Feind. Man stuft sich ein durch das, was man als Feindschaft anerkennt.“
Es gibt auch unfaire und böse Gegner, deren Kritik einfach nur vernichten will. Sie soll man so lang es irgendwie geht freundlich ignorieren. Ein guter Gegner aber ist ein Gewinn, denn er schenkt Selbsterkenntnis. Man erkennt sich in seinem Spiegel und daran, wie man auf ihn reagiert. Man muss seine Gegner lieben.
Es wäre eine feine Sache, wenn etwa meine, die katholische Kirche, nach Jahrhunderten der Kritikerverfolgung sagen könnte: „Ja selbst die Feindschaft ihrer Gegner und Verfolger, so gesteht die Kirche, war für sie sehr nützlich und wird es bleiben.“
Sie hat es gesagt, ganz offiziell, im II. Vatikanum, in der Pastoralkonstitution, Nr. 44. Unter den vielen erstaunlichen Sätzen des II. Vatikanums ist das einer der ungeheuerlichsten. Jetzt müsste man ihn nur noch glauben, realisieren und dann schauen, was passiert.
„Widerlegt“ hätte man die Religionskritiker damit noch nicht. Da bleiben manche gute Argumente, aber letztlich wohl nur die Taten der Hoffnung und der Liebe.
* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz
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