Hahnenkampfarena Parlament

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In welcher Zeit leben wir eigentlich? Sind Irrsinn und Anarchie schon überall spürbar?

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In welcher Zeit leben wir eigentlich? Sind Irrsinn und Anarchie schon überall spürbar?

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Es gibt Menschen, die sind drogen-, andere alkoholsüchtig. Es soll Leute geben, die Sehnsüchte haben und solche wie mich: Ich bin süchtig nach Information. Meine Träume, jeden Tag ein neuer Knaller, wurden in den letzten Wochen mehr als erfüllt. Ich schwamm im Glück, war selig und froh wie selten. Ein bunter Teppich von Infos (!) wurde vor mir ausgebreitet, nicht nur die Geschichte des Stingls, der mit seiner Rose ins ferne Brasilien abtauchte, nicht nur die Enthüllung, daß der neue F-Chef im Pröll-Höger-Land jahrelang zwei Parteibücher hatte, entzückten mich, nein es wurde mir auch verraten, daß Robert Prantner, genannt der Malteser-Falke, den Alt-Bischof von Innsbruck, den von mir so sehr geschätzten Reinhold Stecher, zum Freimaurer ernannte. Er hat ihn nicht enttarnt, nein, er hat ihn ernannt und ihn der zweiten Entleibung des Anderl aus Rinn bezichtigt. Hei, wie da alles funktioniert, wie da flott gebügelt, geschwätzt und gelogen wird. F-üchterlich. Aber der Höhepunkt kommt erst.

In einem glanzvollen Buntmagazin verrät der Ex-Bundespräsidentschaftskandidat und Fast-schon-Neupolitiker Richi L., wie er und sein Mauserl das neue Potenzmittel Viagra ausprobiert haben und wie sehr sie das genossen. Er - der Doch-nicht-Hofburgerstürmer - war zwar an diesem Abend ein bisserl müd', aber trotzdem wurde er zur Sexmaschine. Ist das nicht hochinteressant? Geschmack ist zwar eine vielfältige Sache, aber so was Ung'schmackiges haben die Leser des bunten Heftes wohl noch nie verdauen müssen. Ich habe den Meister der Baubranche immer für einen guten PR-Mann gehalten, seine Geschäftstüchtigkeit bewundert, aber jetzt hat er wohl ein paar Tiegel zu viel gemörtelt. Das wird seinem politischen Berater, dem alten Egon Dorn, kein Freud' machen.

Und nun stellen Sie sich einmal vor, der Tüchtige wäre Bundespräsident geworden. Wir wären jeden Tag mit oder ohne Potenzmittel mit einem Bulletin über die erotischen Erfolge des Nicht-alles-Unterschreibers beglückt worden. Bedauern Sie jetzt, daß Sie diese Chance vergeben haben?

Sagt mir, Freunde, in welcher Zeit leben wir eigentlich, sind denn der Irrsinn und die Anarchie schon überall spürbar? Sind die sauren Wiesen wirklich zu Sümpfen und Drecklacken degeneriert? Da beflegeln sich die Abgeordneten im Hohen Haus derart, daß der Pallas Athene, die davor steht, der Speer aus der Hand fällt. Republikzerstörer haben neue Töne hören lassen, und die Damen und Herren der anderen vier Fraktionen stürzen in die Fallgrube und machen mit.

Auch das Denken scheint abhanden gekommen zu sein. Schnapsideen wie Publikumsbeirat bei den Bundestheatern, Tunnelvermauerungen und Blamagen bei den Olympia-ohne-Grenzen-Vorbereitungen sind anzuprangern, aber nicht gefährlich. Wenn Herr L. über seine Potenz erzählt, ist es unappetitlich aber nicht staatsgefährdernd. Aber wenn Abgeordnete, von uns bezahlte Mandatare, das Parlament zur Hahnenkampfarena machen, dann läuten die Alarmglocken.

Der kluge Präsident Fischer und sein seriöser Vize Neisser sollten die Glocke nicht nur schwingen, sondern sie den Ruhestörern auf den Mostschädel hauen. Man kann von Rabauken keine Manieren verlangen, aber man kann ihnen Disziplin verordnen und sie vor aller Welt als das bloßstellen, was sie sind: durch Immunität geschützte Lümmel. Wie sagte die Stimme Roms, Donato Squicciarini, in Wien: "Wer verstehen will, versteht." Verstanden?

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