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Paul Claudel in Linz
Die 100. Wiederkehr des Geburtstages von Paul Claudel nahm das Linzer Landestheater zum Anlaß, sein größtes Werk, „Der seidene Schuh“ aufzuführen. Nach Claudel ist die Welt trotz aller offensichtlichen Wirren nicht chaotisch, der Mensch nicht dunklen Kräften überantwortet. Das Weltgeschehen ist vielmehr ein Welttheater unter der Regie Gottes. Die Menschen haben dabei mitzuwirken, bis sie ihr von Gott empfangenes Leben dem Schöpfer zurückgeben müssen. Über Claudel und sein Werk wurde in der „Furche“ wiederholt geschrieben, so daß von einer Analyse dieses grandiosen Werkes, das im Epilog ein „opus mirandum“ genannt wird, abgesehen werden kann. Der Dichter hatte sich bereit gefunden, das für vier Abende angelegte Werk für die Pariser Uraufführung an einem Abend wesentlich zu kürzen. Direktor Stögmüller ist als Regisseur um größte Werktreue bemüht. Die enorme Anforderungen stellende Aufführung zählt zu seinen besten Regieleitungen, die aber ohne Schaden noch mehr Striche vertragen hätte. —• Der vom Dichter geforderte rasche Ablauf des Bühnengeschehens verlangt den vollen Einsatz der
Technik wie jedes einzelnen Darstellers und zeugt für die intensive Einstudierung. Heinz Köttel schuf ein farbenprächtiges Bühnenbild, das im Sinne des Dichters mehr andeutet als ausführt und den pausenlosen Ablauf jedes der beiden Teile ermöglicht. Heinz Scherbaum schrieb eine unaufdringlich untermalende Musik. Das Programm weist 33 Mitwirkende auf. Der Leistung nach würde jeder verdienen, genannt zu werden, doch können nur wenige herausgegriffen werden. Ilse Strambowski gestaltet die Dona Proeza und wurde allen Anforderungen von zarter Lyrik bis zur ergebenen Todesbereitschaft voll gerecht. Friedrich Grossart vereinte als Don Rodrige himmelstürmenden Trotz des Gewaltmenschen mit der errungenen demütigen, Hingabe an Gottes Willen glaubwürdig. Werner Englert ist als Don Camiio der typische Revolutionär gegen Gott und die Welt. Ernst Zeller vermag die Rolle des Ansagers, verbunden mit kleinen Rollen, die ihn durch vier Stunden fast pausenlos auf der Bühne fest- halten, mit dezentem Humor auszustatten. Das Premierenpublikum, durch das lange intensive Spiel etwas ermüdet, dankte mit aufrichtigem Beifall.
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