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Seit 1. Jänner 2004 gelten strengere Bestimmungen für das Deponieren von Abfällen. Sie haben einen Boom bei der Müllverbrennung ausgelöst.

Müllverbrennungsanlagen g galten lange als eines der heißesten Eisen der Umweltpolitik. Jetzt scheinen sie aber regelrecht in Mode gekommen, kritische Stimmen verstummt zu sein. Bei den Grünen herrscht eine gewisse Ratlosigkeit: Die Frage, warum die Müllverbrennung derzeit keine wahrnehmbare Relevanz hat, sei schwer zu beantworten, heißt es aus dem Büro der Umweltsprecherin Eva Glawischnig. "Müllverbrennungsanlagen zählen momentan einfach nicht zu den Top-Umweltthemen wie Gen-technik, Klimaschutz oder Atomenergie", lautet dann ein Erklä-rungsversuch.

Dabei war das Thema selten so aktuell wie jetzt, schießt doch eine (Haus-)Müllverbrennungsanlage (MVA) nach der anderen aus dem Boden: Die größte Österreichs hat am 1.1.2004 in Zwentendorf mit einer Kapazität von 300.000 Tonnen Müll pro Jahr ihren Vollbetrieb aufgenommen. Weiters wurde Niklasdorf in der Steiermark (100.000 t/a) und das Werk Simmeringer Haide in Wien (90.000 t/a) fertiggestellt. Noch 2004 soll auch im kärtnerischen Arnoldstein (80.000 t/a) Müll verbrannt werden und in Bau bzw. im Genehmigungsverfahren befinden sich in Pfaffenau (Wien, 250.000 t/a) und eine zweite Anlage in Wels (180.000 t/a).

Bereits seit langem in Betrieb sind die "Hundertwasser-Verbrennungsanlage" (siehe Bild, mit 263.000 t/a) und der seit Jahrzehnten umstrittene Flötzersteig in Wien sowie die Linie 1 der MVA Wels in Oberösterreich. Es scheint so, als hätten Müllverbrennungsanlagen ihren Schrecken für Politik und Bevölkerung verloren. Zum Größenvergleich: Im Jahr 2000 fielen insgesamt 1,58 Mio. Tonnen Rest- und Sperrmüll in Österreich an.

Den Müll vorbehandeln

Grund für den Bauboom ist die Deponieverordnung, die am 1. Jänner 2004 in Kraft trat. Ab diesem Zeitpunkt dürfen in den meisten Bundesländern (Tirol, Vorarlberg, Wien und Kärnten nehmen Übergangszeiten von maximal fünf Jahren in Anspruch) nur mehr reaktionsarme - das heißt vorbehandelte - Abfälle deponiert werden. Die Vorbehandlung kann auf zwei Arten erfolgen: mechanisch-biologisch oder eben durch Müllverbrennung. Damit soll nie wieder eine Mülldeponie zur ökologischen Zeitbombe werden.

Viele positive Punkte nennt Felicitas Gruber, Geschäftsführerin der EVN-Tochter "Abfallverwertung Niederösterreich" (AVN) in Zwentendorf, wenn sie "ihre" Verbrennungsanlage beschreibt: Eine exzellente Rauchgasreinigung, ein ausgeklügeltes Verkehrskonzept, wonach 90 Prozent des Mülls per Bahn angeliefert wird und die unmittelbare Nähe zum kalorischen Kraftwerk Dürnrohr.

"Dürnrohr erspart sich dadurch 50.000 Tonnen Kohle und zehn Millionen Kubikmeter Erdgas. Das reduziert die Emissionen und verbessert die Luft." Dennoch gibt sie zu, dass die AVN lieber einen anderen Standort gewählt hätte: "Aber wir haben in Niederösterreich keine große Stadt gefunden, die eine MVA wollte."

In einer Stadt hätte nämlich neben Strom auch Fernwärme geliefert werden können. So geht aber die Wärme ungenützt in die Luft und der Wirkungsgrad der Anlage beläuft sich nur auf gut 40 anstatt auf rund 75 Prozent. Gruber weiter: "Pro Tonne Müll bleiben nach der Verbrennung rund 250 Kilo Schlacken und Aschen übrig, die inert (praktisch reaktionsfrei; Anm.) sind und daher völlig gefahrlos entsorgt werden können."

Über die beste Art der Müllvorbehandlung haben die Bundesländer jedoch unterschiedliche Ansichten: Während Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Kärnten ihr Heil in der Verbrennung sehen, setzen Salzburg, die Steiermark und das Burgenland auf mechanisch-biologische Anlagen. In diesen unterschiedlich großen Anlagen wird zunächst die heizwertreiche Fraktion abgetrennt und ebenfalls verbrannt.

Der verbleibende, schlechter verheizbare Teil wird mechanisch zerkleinert und anschließend biologisch behandelt (verrottet oder vergärt). Dadurch kann man ebenfalls eine (wenn auch im Vergleich zur Verbrennung kleinere) Verringerung des Müll-Volumens sowie eine biologische Stabilisierung vor der Deponierung erzielen.

Diesen Weg begrüßt "Greenpeace"-Experte Herwig Schuster, der sich gegen Müllverbrennung ausspricht: "Aber nicht wegen der Abgase, die beim Schornstein herauskommen, sondern weil es eine Stoffvernichtung ist." Sobald eine MVA in Betrieb sei, sinke nämlich die Motivation, Müll zu vermeiden oder zu recyceln.

Giftige Filterkuchen

Für einen rentablen Betrieb sei es einfach ein Muss, eine MVA groß zu dimensionieren und möglichst gut auszulasten. Die Luftemissionen haben sich laut Schuster infolge der verbesserten Filtertechnik stark verbessert. Doch die Problemstoffe wie Dioxin und Schwermetalle seien jetzt im Filterkuchen konzentriert, der in neuen Anlagen im Ausmaß von rund einem Kilogramm pro Tonne verbrannten Mülls anfällt. Dieser Filterkuchen muss in Deponien endgelagert werden, die es in Österreich gar nicht gibt, wohl aber zum Beispiel in Salzlagerstätten in Deutschland.

Zu große Kapazitäten

Auch von den Bundesgrünen gibt es zum Thema Müllverbrennung nach wie vor Kritik: "Da es kein bundesweites Abfallwirtschaftskonzept gibt, werden MVA im Wildwuchs geplant. Wir befürchten, dass dadurch die Kapazitäten zu groß sind, was wiederum zu Müllimporten führen wird, um die Anlagen auszulasten." Auch sei es nicht zukunftsweisend, dass die Planung von ständig steigenden Müllmengen ausgehe.

Ein weiteres heikles Thema ist der Verkehr. "Viele dezentrale mechanisch-biologische Anlagen - wie in der Steiermark - sind vorteilhafter als eine zentrale MVA", ist sich Schuster sicher. Dabei dürfte die Frage der Größe der Anlage eine fast ebenso wichtige Rolle spielen wie die Art der Anlage.

So trat im Zentralraum Salzburg in erster Linie Peter Haibach von der Plattform der Verkehrsinitiativen gegen eine Müllverbrennungsanlage in seinem Bundesland auf. Als diese letztendlich nicht realisiert wurde, ging es darum, in Siggerwiesen - dort steht inzwischen die größte mechanisch-biologische Aufbereitungsanlage Österreichs - ein möglichst verträgliches Verkehrskonzept mit-zugestalten.

Siggerwiesen-Geschäftsführer Kurt Steger hält dagegen: "Wir sind nicht Getriebene der Bürgerinitiativen. Wir wären auch ohne sie den gleichen Weg gegangen." Gut die Hälfte des in der mechanisch-biologischen Anlage einlangenden Mülls werde abgespalten und zur Verbrennung nach Lenzing geführt, ein Viertel lande nach der Behandlung im Werk auf der Deponie und der Rest der ursprünglichen Masse entfalle auf aussortierte Wertstoffe (u.a. Metalle) und Feuchtigkeitsverluste.

Auch in der Bevölkerung werden MVA bei weitem nicht überall goutiert: So brachte in Tirol eine Bürgerbewegung nicht nur eine geplante MVA in Wörgl zu Fall, sie zwang die Landesregierung auch, das Thema überhaupt ad acta zu legen. "Nachdem die Müllverbrennung von den Medien und anderen Gruppierungen derart schlecht gemacht wurde, ist sie politisch nicht mehr durchsetzbar", erklärt Arthur Oberauer, Büroleiter von Umweltlandesrat Hannes Gschwentner. Nach einer Gesetzesänderung planen drei Tiroler Abfallwirtschaftsverbände nun, gemeinsam eine mechanisch-biologische Auf-bereitungsanlage zu bauen. Die Verbrennung des Restes nach der Trennung wird außerhalb Tirols stattfinden. Laut Oberauer haben österreichische MVA-Betreiber bereits reges Interesse angemeldet.

Zweifelhafte Effizienz

Einer, der wesentlich dazu beigetragen hat, die MVA in Wörgl zu verhindern, ist der Wörgler Kinderarzt Michael Riedl. "Man kann nicht alles zusammenschmeißen und dann glauben, alle Schadstoffe filtern zu können", zweifelt er an einer wirklich optimalen Filtertechnik. Außerdem liege Wörgl in einer Ost-West-Furche, in der eine sehr schlechte Durchlüftung herrsche.

Riedl nennt auch die Lösung des Müllproblems: "Es kann nicht sein, dass wir zuerst Abfall produzieren und dann nicht wissen, wohin damit. Für jedes Produkt müsste ein Weg gefunden werden, es komplett wiederzuverwerten."

Der Autor ist freier Journalist.

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