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Die vier Schwestern

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Julia Alvarez, die mit zehn Jahren mit ihren Eltern aus der Dominikanischen Republik fliehen mußte und in den USA ein neue Heimat fand, gelang mit „Die Zeit der Schmetterlinge" zweierlei: die Darstellung der 31 Jahre währenden Unterdrückung durch Trujillo, andererseits die Charakterisierung der vier Mirabal-Schwestern, vom Volk „Schmetterlinge" genannt, die in den Widerstand gehen. DreL bezahlen ihren Widerstand mit dem Leben.

Alvarez hat durch die literarische Gestaltung des mündlich tradierten Materials über die schönen und tapferen Frauen, wie sieselbst sagt, kein historisches Zeugnis geschaffen, doch sie zeigt, wie jeder einzelne, und versuchte er noch so sehr, sich von der Politik fernzuhalten, in den Strudel hineingerissen wird und sich dadurch verändert.

Die, Autorin stellt anhand der Lebenswege der vier Frauen die politischen Ereignisse dar. Sie berichten über ihre Empfindungen, über Liebe, Heirat und Kinder, reflektieren aber auch über Mutter, Vater, Geschwister. So ergibt sich ein umfassender Blick in die wohlsituierte Familie der Mi-rabals, die nicht nur auf die Diktatur unterschiedlich reagieren.

Gleichzeitig wird die gesellschaftliche Rollenerwartung und individuelle Prägung des einzelnen im tief katholischen Land sichtbar. Da gibt etwa die Mutter Gottes einer ratsuchenden Tochter eine persönliche Antwort, da scheint es, als könnte der Herrgott den Namen des erst zu gebärenden Kindes auf das baumwolle-. ne Hauskleid schreiben, da wird aus kindlicher Sicht die Behauptung im Evangelium ernst genommen, daß Gott, weil er alles weiß, sogar weiß, wieviele Haare man selbst auf dem Kopf hat.

Julia Alvarez berichtet vom Macht-und Imponiergehabe der Männer ihren Frauen gegenüber. Wie schwierig es ist, sich aufzulehnen, läßt die Charakterisierung einer der Schwestern erkennen: „Sie als Zweitgeborene war schon immer ein folgsames Kind gewesen und daran gewöhnt, sich nach Leitfiguren zu richten. Neben einer Altstimme sang sie Alt, neben einem Sopran Sopran." In änderen Familien werden sich wohl die Rollen und Prägungen nicht wesentlich unterscheiden. Alvarez berichtet nicht darüber, ihr Roman ist nicht als Soziogramm zu lesen. Doch tritt an manchen Stellen klar hervor, daß der Diktator der Übermacho, der Übervater ist, dem grundsätzlich alle Frauen gehören: „Wir waren mehrere Hundert Fauen und sahen aus wie seine Bräute - alle in weißen Kleidern, mit weißen Handschuhen und Hüten, die wir uns selbst aussuchen konnten. Als wir an der Tribüne vorbeikamen, von der aus er die Parade abnahm, mußten wir zum Salut den rechten Arm hochhalten."

Auf solch einer durch Erziehung und Religion gelegten Basis läßt sich gut herrschen, wenn es dem Diktator gelingt, sich in die Herzen und Hirne seiner Untertanen einzuschleichen. Auch dies läßt die Histroikerin nicht unerwähnt: „Diktatoren sind pan-theistisch. Einem Diktator gelingt es irgendwie, ein Stückchen von sich selbst in jeden von uns einzupflanzen." Dieser Satz ist eine zentrale Aussage der Parabel, die überall gilt, wo die Erfahrung der Diktatur verarbeitet werden muß.

DIE ZEIT DER SCHMETTERLINGE

Von Julia Alvarez

Piper Verlag, München 1996

463 Seiten, geb., öS 295,-

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