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Mit "Terrorist" hat John Updike keinen Thriller geschrieben, sondern einen Roman über Suchende in einer gottlosen und konsumfetten Welt.

Es ist nicht das erste Mal, dass John Updike Amerika vermisst - und zwar die soziale und religiöse Lage der USA. Den christlichen Fundamentalismus hatte der Schriftsteller ebenso schon im Fokus wie das Elend einst blühender Industriestädte. Wie New Prospect, der Schauplatz seines neuesten Romans "Terrorist", strotzen heute zahlreiche andere Städte vor Hoffnungslosigkeit, und wer einmal durch Pennsylvania gefahren ist, der Heimat von Updike, weiß wovon dieser spricht. Die Gebäude erzählen Vergangenheit, aber die Gegenwart wirkt geschlossen - und dennoch leben Menschen hier, man fragt sich nur: Wovon? Und wohin?

Ausgeträumter Traum

So manch amerikanischer Traum ist ausgeträumt. Das ist nicht neu. Darüber haben schon andere geschrieben. Updike bringt seine amerikanische Bestandsaufnahme aber in Zusammenhang mit dem Terrorismus und erklärt diesen unter anderem mit der sozialen Perspektivenlosigkeit (was haben Amerika bzw. seine Bewohner der Jugend an Zukunft zu bieten?) und der metaphysischen Obdachlosigkeit (was haben die Religionen bzw. ihre Vertreter der Jugend zu bieten?). Der Terrorismus durch islamische Extremisten wird in Updikes Roman nicht von außen ins Land importiert (Weltpolitik wird hier mehr oder weniger ausgeklammert), sondern stellt ein hausgemachtes amerikanisches Phänomen und Problem dar.

Als Thriller wurde Updikes neuester Roman "Terrorist" bezeichnet, aber dazu fehlen ihm viele Ingredienzien, von einer gewissen Spannung lebt freilich der Text dennoch: Wird der junge Terrorist Ahmed den Lincoln-Tunnel, hunderte Menschen und sich selbst in die Luft sprengen? Doch statt wilder filmreifer Szenen am Ende, auf der Fahrt durch den Tunnel, führen ein alter Jude und ein junger Muslim einen philosophischen Dialog, der den Text eher als Thesenroman entlarvt denn als Thriller.

Die alles entscheidende Entscheidung fällt erst zu Romanende. Anfangs ist Ahmed ein ganz normaler Jugendlicher, unauffällig und sehr brav, "ein guter Moslem in einer Welt, die den Glauben verhöhnt". Denn vieles an der Welt ist ihm zu schmutzig - "Diese Teufel wollen mir meinen Gott nehmen"- Sex und Konsum sind das, worum sich alles dreht, und die Lehrer sind "schlaffe Christen oder nichtpraktizierende Juden", "ihre unsteten Augen und leeren Stimmen verraten ihren fehlenden Glauben".

Ahmed ist ein Einzelgänger, wächst als Sohn einer irischen Mutter ohne seinen ägyptischen Vater auf, steht damit also nicht nur vaterlos da sondern auch ziemlich zwischen den Ethnien. Er findet Halt in der Religion des Vaters und dessen Ersatz bei Imam Scheich Rashid, der ihn geschickt und unauffällig zum Terroristen deformiert. Updike entwirft keinen bösen Menschen, auch keinen besonders radikalen. Eher einen nachdenklichen. Einen suchenden. Einen, dessen religiöser Glaube benutzbar wird für politische Zwecke. Ungleich gläubiger wirkt Ahmed als jene, für die er sich in die Luft sprengen soll.

Fett und Teer

An der amerikanischen Gesellschaft leiden freilich auch andere. Etwa der 63-jährige jüdische Lehrer Jack Levy, ihm ist der Glauben längst keine Stütze mehr. "Amerika ist, wenn man Jack Levy fragt, lückenlos mit Fett und Teer zugepflastert, ein von Küste zu Küste reichender Fliegenfänger, an dem wir alle festkleben." Der ernüchterte Lehrer wartet schlaflos auf seinen Tod, allerdings ist er der einzige, der erkennt, welch Potenzial in Ahmed ruht - und zwar sowohl zum intelligenten Schüler als auch zum - Attentäter.

Updike vermisst anhand verschiedener Personen und Religionen - Juden, Christen, Muslime - die Welt, in der der Glaube an Gott ebenso verschwunden ist wie jener an den amerikanischen Traum. Dafür hat sich der theologisch durchaus versierte Autor intensiv in den Koran eingelesen, auch die unterschiedlichsten Schattierungen seiner Auslegung sind ihm vertraut.

Kritisch beäugt Ahmed die anderen Religionen. Das kommt nirgends besser zum Ausdruck als in jenem Kapitel, in dem Ahmed der schwarzen Schulfreundin Joryleen zuliebe in einen christlichen Gottesdienst geht. "Die christliche Sitte, träge aufrecht da zu sitzen wie bei einer Unterhaltungsveranstaltung, deutet darauf hin, dass Gott als Unterhaltungskünstler gilt, der von der Bühne entfernt und durch eine andere Nummer ersetzt werden kann, wenn er nicht mehr unterhält." Wenn das nicht gut beobachtet ist!

Mit der Ehe des Juden Jack Levy mit seiner Lutheraner-Frau, die völlig aus der Form geraten ist, schließlich spiegelt John Updike die Gesellschaft: "Nach sechsunddreißig gemeinsam im Norden von New Jersey verbrachten Jahren haben sich die religiösen und ethnischen Unterschiede zwischen ihnen abgeschliffen und einer glanzlosen Gleichartigkeit Platz gemacht. Sie sind zu einem Paar geworden, das am Wochenende gemeinsam bei ShopRite und Best Buy einkauft und das unter einem vergnügten Abend eine Bridgerunde an zwei Tischen versteht ..."

Nur heiße Luft

Das ist Updike, wie man ihn kennt. In solchen Beziehungen ist allerdings dann nicht einmal Sex mehr das, was er bei Updike früher einmal war. Anders ist das bei Ahmeds Mutter, mit der Jack Levy ein Verhältnis hat, sie wird ihm für kurze Zeit zum Himmel: "So ist das Leben eigentlich gemeint," erinnert er sich in ihrem Bett. "Nur hält es nicht an," erinnert sie ihn. "Was hält schon an?"

Ja, was hält denn an? Haben Christen und Juden - nicht nur in Amerika! - auf Ahmeds Feststellung, seine Mutter sei ein Opfer der Freiheitsreligion, eine andere Antwort oder müssen sie ihm womöglich recht geben: "Freiheit über alles, doch Freiheit zu welchem Handeln und mit welchem Ziel, das bleibt völlig offen, da gibt's nur heiße Luft."

Terrorist

Roman von John Updike

Aus d. Amerika. v. Angela Praesent

Verlag Rowohlt, Reinbek 2006

352 Seiten, geb., e 20,50

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