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Ein neuer Frühling der Koalition

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Zunächst war es nur Finanzminister Ferdinand Lacina (siehe auch Seite 8), der das Handtuch warf und mitten während der Budgetdebatte seinen Rücktritt bekanntgab. Zuviel an Frustration und Enttäuschung hatte sich in diesem Mann, der eine bessere Behandlung und einen schöneren Abgang verdient hätte, angesammelt. Sein plötzlicher Abschied von der Macht wurde von fast allen Seiten mit Bedauern und nicht, wie in anderen Fällen, mit Erleichterung, quittiert, ist Lacina doch ein, leider nur allzu seltenes Beispiel dafür, daß man den Versuchungen der Macht nicht erliegen muß, daß man weder Allüren noch Affären haben muß und sich selbst treu bleiben kann. Allerdings hat der in dieser Plötzlichkeit unerwartete Rückzug Lacinas ins Privatleben die für die SPÖ und den Staat unerfreuliche Kehrseite, daß eine wertvolle Kraft und Führungsalternative ausfällt und die personelle Auszehrung so weiter voranschreitet.

Die unmittelbare Folge der Ungeduld Lacinas, der mit seinem Abgang nicht länger warten wollte, war aber, daß der Zeitplan des Bundeskanzlers und Parteivorsitzenden durcheinandergeriet und die folgende Regierungsbildung außer im Fall Dohnal viel eher den Eindruck der Flucht aus der Regierung als den eines geordneten Rückzuges und Umbaus erweckte.

Die Minister Hesoun und Löschnak nahmen die Gelegenheit wahr, gleich Lacina ihre Amtsmüdigkeit zu demonstrieren. So wurde der Bundeskanzler, der die Entscheidung vor sich hergeschoben hatte, zu raschem Handeln gezwungen.

Die nicht gerade idealen Umstände, die zur Erneuerung der Begierung geführt haben, müssen aber kein negatives Präjudiz für die Zukunft sein. Ob freilich im Sinne eines alten Wiener sozialistischen Liedes auch schon ein neuer Frühling Einzug in Partei und Regierung halten wird, kann erst die Zukunft lehren.

Umwerfend sind die Neubesetzungen gerade nicht, doch auch unbeschriebene Blätter haben die Chance, sich durch positive Eintragungen mit Substanz zu füllen. Positiv aufhorchen ließ die Bestellung von Caspar Einem, der schon in den Beamtenverhandlungen Geschick bewiesen hat und dessen ganze bisherige Laufbahn von Zivilcourage zeugt und Gutes erwarten läßt. Wenn neue Männer und Frauen in der ÖVP bald zu denen in der SPÖ dazukommen, kann dies ein weiterer Impuls für den Bestand der großen Koalition sein, die solcher Impulse jedenfalls dringend bedarf. Die Natur schickt sich an, die Kälte des Winters mit dem freundlicheren Klima der sogenannten „schönen Jahreszeit' zu vertauschen, es bleibt zu hoffen, daß es der Begierung gelingen wird, aus Erstarrung und Turbulenzen herauszufinden.

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