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Bürokratie — Vorschuß

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Das Volksbegehren der „Aktion Leben“ ist der Regierungspartei offenbar stärker unter die Haut gegangen, als sie sich selbst eingestehen möchte.

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Das Volksbegehren der „Aktion Leben“ ist der Regierungspartei offenbar stärker unter die Haut gegangen, als sie sich selbst eingestehen möchte.

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Dies wird insbesondere unter anderem in jüngsten Initiativen der Regierung deutlich, die auf ein partielles Unterlaufen des Volksbegehrens abzielen. Nur so ist die plötzliche Aktivität von Frau Staatssekretär Karl zu "verstehen: in einer großangelegten Informationskampagne wird Familienplanung in den Vordergrund gestellt. Es wird auf die Beratungsstellen verwiesen, und es werden für 1975 lobenswerte Verbesserungen angekündigt. So zum Beispiel die indirekte Erhöhung der Kinderbeihilfe, höheres Karenzurlaubsgeld und die Notstandsbeihilfe.

In einem Spezialgesetz soll nunmehr die „Unterhaltebevorschussung“ eingeführt werden, die dem Unterhaltsschutz Minderjähriger Rechnung tragen soll, wenn der Kindesvater seinen Alimentationsverpflichtungen nicht nachkömmt. (Diese Forderung findet sich übrigens im Katalog des Volksbegehrens der Aktion Leben; tatsächlich handelt es sich jedoch um eine alte Forderung, über die bei beiden Parteien grundsätzliche Einigkeit herrschte und herrscht, die jedoch immer wieder verschleppt wurde.)

Leider ist jedoch die Regierungsvorlage betreffend das „Unterhalts- bevorschussunigsgesetz“ von mehreren formalen Mängeln behaftet. So begrüßenswert diese Initiative von der Sache her ist, so muß darauf ver wiesen werden, daß das zentrale Anliegen, nämlich der Schutz des Minderjährigen, durch Mängel im Verfahren nicht gewährleistet erscheint. In einer umfangreichen Stellungnahme des österreichischen Cartellver- bandes (ÖCV) wird diese Problematik neuerdings behandelt.

So ist in erster Linie die Bestimmung, daß die ersatzweise Leistung des Bundes erst nach erfolgloser Exekution erfolgen kann, wenig zielführend. Von der Rechtssystematik her könnte zwar auf die vorangehende Exekution nicht verzichtet werden, doch sollten beim Schutz des Minderjährigen andere Prioritäten gelten. Obwohl die Regierungsvorlage auf diesę Problematik hinweist, wird der entscheidende Schritt nicht getan — nämlich, die Bevorschussung auch ohne Exekutionsbewilligung zu gewähren. Die Gefahr des Bezuges nicht gerechtfertigter Vorschüsse sollte durch andere Vorschriften als solche einer langwierigen und verzögernden Exekutionsführung hintangehalten werden.

Auch die Bestimmungen betreffend die Gehaltspfändung erscheinen untauglich. Um zu verhindern, daß sich der Unterhaltspflichtige durch den Arbeitsplatzwechsel der Exekution entzieht, könnte die Lohnsteuerkarte herangezogen werden, in der die Unterhaltspflicht vermerkt ist. Die An-

Stellung sollte, gemäß dem Vorschlag des ÖCV, daher von einer gerichtlichen Unbedenklichkeitserklärung abhängig gemacht werden, aus der hervorgeht, daß keinerlei gerichtliche Schritte anhängig sind. Kann eine solche Bestätigung nicht vorgelegt werden, so darf das Beschäftigungsverhältnis erst dann eingegangen werden, wenn der neue Dienstgeber dem Gericht entsprechend mitgeteilt wurde. Dadurch soll insbesondere die beliebte Praxis des häufigen Arbeitsplatzwechsels zum Zweck der Entziehung von Unterhaltspflicht weitestgehend erschwert werden.

Es wäre schade, wenn eine derart wünschenswerte Initiative zum Schutz Minderjähriger durch unnötige Komplizierung wesentlich an Effizienz verlieren sollte und es steht zu wünschen, daß die genannten Anregungen noch vor Gesetzwerdung Berücksichtigung finden, und nicht erst, nachdem sich die verminderte Handhabung des Gesetzes bereits in der Praxis gezeigt hat.

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