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Finnland um 1900

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Eine entscheidende Voraussetzung für die um 1900 einsetzende Entwicklung und Blüte der finnischen Kunst war die politische Situation des Landes. 1809 war Finnland von den Russen unter Alexander I. als Folge der napoleonischen Kontinentalsperre, an der sich Schweden nicht beteiligt hatte, besetzt worden. Damit wurde ein fast 90 Jahre dauernder Prozeß vollendet, in dem Finnland nun dm russischen Reich eine Sonderstellung erhielt, in der es seine Autonomie und nationale Eigenart weitgehend erhalten konnte. Erst durch das berüchtigte „Februarmanifest“ Zar Nikolaus II. von 1899 wurde eine Periode der Russifi-zierung eingeleitet, die das Land bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges in immer neue Unruhen stürzte.

Das 19. Jahrhundert war aber für Finnland eine Epoche nationaler Selbstentdeckung geworden, die 1860 mit der Wiederentdeckung und Wiederveröffentlichung des Nationalepos „Kalevala“ einen ersten Höhepunkt erreichte und zu einer nationalromantischen Strömung unter den Intellektuellen und Künstlern führte. Diese wieder rief, vor allem ab dem letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts, eine Blüte der Literatur und Kunst hervor, die Finnland an Europa und die internationale Bewegung des Jugendstils anschloß und eigenständige in der Architektur zum Teil bahnbrechende Leistungen hervorbrachte. Durch die vorwiegend bäuerliche Kultur des Landes und die nationalromantische Bewegung des „Karelianismus“ wurde der Jugendstil in Finnland aber mit volkstümlichen Formen durchdrungen, die ihm eine spezifische Note gaben. Eine große Ausstellung im österreichischen Museum für angewandte Kunst ,Finnland 1900. Finnischer Jugendstil“ zeigt nun Malerei, Architektur und Kunstgewerbe dieser Zeit in zum Teil überraschenden und eindringlichen Beispielen.

Unter den Malern ist hier Akseli Gaüen-Kallela einer der interessantesten — er fand, nach romantisch naturalistischen Anfängen ä la Anders Zorn, unter dem Einfluß Münchs, der Nabis und Hodlers, zu symbolistischen Bildern aus dem „Kalevala“. Neben ihm muß man den eigenartigen Hugo Simberg nennen, der in seinem Knabenbildnis „Akseli“ unter dem Einfluß der italienischen Frührenaissance nahezu an die „Neue Sachlichkeit“ erinnert und später in seinen naiv-phantastischsymbolischen Darstellungen an James Ensor.

In der Architektur finden wir neben Hermann Gesellius und Armas

Lindgren Eliel Saarinen — den Vater Eeros —, der nicht nur mit seinem Hauptbahnhof für Helsinki, sondern auch mit seinen Stadtplanungen, die bereits Satellitenstädte vorsahen, bahnbrechend und richtungsweisend wurde. Im finnischen Kunstgewerbe, das von dem Sozialrevolutionären Pathos des William Morris beeinflußt wurde, findet man zu dieser Zeit die zeitlos schönen Vasen des Anglo-Bel-giers A. W. Finch, die originellen Arbeiten der Firmen Oy Koru Ab und Wärtstla-Arabia (mit Gläsern, Schüsseln und 'Fayencen), die Möbel von Eliel Saarinen und Louis Sporre, die sowohl bäuerliche Geradlinigkeit wie Eleganz atmen. Einige bemerkenswerte Beispiele an Textilien gehören ebenso zur Ausstellung wie ein Informationsraum, der mit audiovisuellen Mitteln die in dem ausgezeichnet ausgestatteten Katalog enthaltenen Ausführungen noch vertieft. Eine sehenswerte und wertvolle Schau.

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